Zalai Múzeum 6. (Zalaegerszeg, 1996)

Kiss Attila: Die Ostrogoten in Pannonien (456–473) aus archäologischer Sicht

88 Kiss Attila fachgerecht ausgegraben werden, was wiederum die Qualitât der Fundüberlieferung wesentlich einschrânkt. Es versteht sich daher von selbst, daft aile diese genannten Spezifika und Problème der Quellenlage es sehr erschweren, ja fast unmöglich machen, osthrogo­tische Fraucngraber zwischen 456-473 in Pannonién gesichert zu bestimmen, d. h. zum Beispiel konkrét: War die in einem südpannonischen Grab bestattete Dame um 450 noch eine „Staatsbiirgerin" des Hunnen­reiches oder bereits um 460 schon eine Untertanin der osthrogotischen königlichen Brüder Valamir, Thiudi­mer und Vidimir? Mit alien diesen notwendigen Einschrânkungen können nun heute 14 archâologische Fundorte mit einem unterschiedlich hohen Maft an Wahrscheinlich­keit mit den Osthrogoten zwischen 456-473 in Siidpan­nonien in Verbindung gebracht werden (Abb. 1). Gegeniiber einer Untersuchung von vor 15 Jahren 8 ist diese Zahl an pannonischen Fundorten der Osthrogoten heute um 65 Prozent geringer zu veranschlagen als noch zuvor angenommen; dies hángt damit zusammen, daft in dem nördlichen Grenzraum des osthrogotischen Siedelgebietes zwischen dem Plattensee und der Donau mit dem 145 Kilometer langen Flufi Sárvíz 9 (Abb. 1) durch neueste archâologische Untersuchungen nun hun­nenzeitliche Gràber (also vor 454) und spátere Grâber (also nach 473) erkannt und aus dem zuvor fiir osthro­gotisch identifizierten Fundstoff eliminiert werden konnten. 10 Im pannonischen Fundstoff der Osthrogoten (456­473) lassen sich vermutlich zwei sich überschneidende Horizonté erkennen: 1. Frauengrâber der Einwanderer nach Pannonién, also mit mitgebrachtem Trachtzubehör aus der hunnenzeitlichen Période vor 456 mit groften Silberbleclifibeln oder deren Prunkversionen mit Gold­blechüberzug und Edelsteinen sowie mit Silberblechsch­nallen oder deren goldenen kloisonnierten Exemplaren; die Siedelgebiete bzw. der Herkunftsraum dieser Ein­wanderer vor 456 können derzeit archâologisch (und historisch) noch nicht zweifelsfrei bestimmt werden. 2. Frauengrâber der folgenden jiingeren Generation nun mit gegossenen silbervergoldeten und Kerbschnittver­zierten Fibelpaaren und - soweit vorhanden ­entsprechenden Giirtelschnallen. Die erwâhnten Frauengrâber sind gekennzeichnet durch Fibelpaare aus Silberblech (bzw. deren Prunkver­sionen) bzw. durch gegossene kerbschnittverzierte Exemplare, die in den Grâbern an den Schultern gefunden werden und die vielleicht zum Heften eines mantelartigen Umlianges auf einen 'Kleid' dienten, ferner durch silberae Schnallen mit rechteckigem Blechbeschlag bzw. durch eine kerbschnittverzierte Gürtelschnalle, manchmal mit Vögel- und Tierköpfen besetzt; hinzu kommt noch Schmuck mit silbernen oder goldenen Ohrringen mit einem polyedrischen Endknopf, massiv gegossen oder durchbrochen gearbeitet und mit Almandinen besetzt und silberne Armreifpaare, gelegentlich auch noch Perlenketten (zum Teil aus Bernstein, auch aus Goldblech), ein Fingerring und ein Toilettbesteck; ergânzt werden diese personenbezogenen Objekte noch durch Kâmme und durch (oft rituell) zerbrochene Nomadenspiegel. Die Zusammensetzung dieser ethnisch höchst­wahrscheinlich als osthrogotisch zu klassifizierenden Grabinventare laftt erkennen - soweit diese vollstândig geborgen wurden -, daft in die Hànde der Osthrogoten als Verlierer - im Gegensatz zu den 454/55 siegreichen Gépiden (siehe oben) - nichts oder nur wenig aus der riesigen hunnischen Beute an Gold gelangte: in den Grâbern ihrer vornehmsten Frauen finden sich nur silbernes Trachtzubehör und Schmuck. ausgenommen die leichten goldenen Ohrringe mit einem Gewicht von maximai 2-3 Solidi (Goldmünzen). Dieser osthrogo­tische Fundstoff beschrânkt sich somit im soziolo­gischen Sinne auf die Gráber wohlhabender Frauen, wâhrend die hypothetisch vorauszusetzenden Grâber der reichsten Damen bi slang noch ebenso unbekannt sind wic die Grâber der ârmeren Frauen, also der Masse der Bevölkerung. Aufter der allgemein zeitspezifíschen Sitté im 5. Jahrhundert in weiten Teilen Südosteuropas in Einzel­grâbern und kleinen Familiengraberfeldern zu bestatten, ist diese Bestattungssitte vielleicht auch durch den nur kurzen Aufenthalt der Osthrogoten in Pannonién be­dingt, der es nicht zur Anlage von gröfteren Gráberfel­dern kommen lieft. Ihre Verstorbenen wurden meistens in Erdgrâbern in gestreckter Rückenlage bestattet, wenn man von 1-2 Ziegelgrábern absieht. Eine offene Frage ist, ob der Mangel an Keramikbeigaben und Waffen vielleicht mit dem Arianismus der Osthrogoten zu erklâren ware. Wegen der meist nicht systematisch ausgegrabenen Gráber sind nur von zwei Fundorten die Skelettreste erhalten: die Schâdel waren entsprechend der Sitté der Zeit (reiternomadischer Einfluft) künstlich deformiert (Domolospuszta, Szekszárd-Palánk). In Kenntnis der ostgotischen Geschichte überrascht es jedoch nicht, dali diese Schâdel nicht zum mongolischen, sondera zum europiden Тур gehörten, da diese Sitté der artifiziellen Schàdeldeformation im Kindesalter aus der reiter­nomadischen Welt (Hunnen, Alanen; Sarmaten) háufig von Ostgoten und anderen ostgermanischen Stámmen in Südosteuropa übernommen wurde; gleichwohl erlaubt es die geringe Zahl der erhaltenen Schâdel natürlich nicht, irgendwelche Aussagen verallgemeinernder Art zur Rezeption dieser Sitté durch die Osthrogoten zu machen. Die osthrogotischen Fundorte (Abb. 1) sind in drei geographischen Gebieten zu finden: I. zwischen Platten­see (Balaton) - Sárvíz - Donau und Mecsek-Gebirge, II.

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