A Veszprém Megyei Múzeumok Közleményei 17. (Veszprém, 1984)
Uzsoki András: I. András király sírja Tihanyban és a sírlap ikonográfiai vonatkozásai
byzantinischen Mitherrscher Justinian II. und Tiberios II. (Abb. 17), dessen Form ein gedehntes griechisches Kreuz ist (crux graeca oblonga). Das auf einen Schaft gesteckte Kreuz ist das christliche Gegenstück zum Labarum des römischen und byzantinischen Kaiserreiches, also das Zeichen des Sieges. So wird es auf den zeitgenössischen Geldmünzen von Byzanz bis Nordeuropa dargestellt (Abb. 18—21), aber schon mit einem erweiterten Bedeutungsinhalt: seine Bedeutung ist nicht nur das Siegeszeichen, sondern das Würdezeichen des weltlichen Herrschers, der sich als Herrscher auf Erden an Christus bindet, dessen Stellvertreten, Vicarius Christi, ist. Diese Kreuzdarstellungen mit Schaft kann man auf der Majestas Domini Darstellung des sogenannten Goldenen Alters im Dom S. Ambrogio zu Mailand finden, weiterhin auf einem Bild des Werdener Psalteriums (Psalmbuches) sowie auf der Bildfolge des Altars von Nicolaus von Verdun (Verduner Altar) in der Basilika zu Klosterneuburg (Abb. 23—24). Mit ähnlicher Bedeutung kommt es auf dem aus Goldblatt gefertigten Einband des sogenannten Evangelienbuches (Evangelistar) der Äbtissin Theophanu vor, das sich in der Schatzkammer des Essener Münsters befindet, oder im Freckenhorster Codex Aureus (Münster, Staatsarchiv). Auch in der kirchlichen Symbolik besitzt das auf einen Schaft gesteckte Kreuz (Vortragekreuz) eine wichtige Rolle als Würdezeichen, das den höchsten kirchlichen Würdeträgern, — dem Bischof von Rom, dem Papst — gebührte. Das ausdrucksvollste Beispiel dafür findet man auf einem Fresko in der Narthex der sogenannten Unterkirche aus dem IV. Jahrhundert in der Basilika San Clemen te in Rom (Abb. 25), das die feierliche Überführung der sterblichen Überreste des Papstes Clemens des Heiligen darstellt. Der Papst Nicolaus I. schreitet zusammen mit dem Heiligen Cyrill und dem Heiligen Method an der Spitze der Prozession und in der Hand von Method ist das päpstliche Vortragekreuz zu sehen. Auf dem rechten Flügel des vor 1015 gefertigten Bronzetores des Doms zu Hildesheim, im obersten Bildfeld, hält der auferstandene Christus ein solches Kreuz in seiner Hand (Abb. 26), dessen Größe der Größe Christi ähnelt. Hier möchten wir auf die Menschengröße des Vortragekreuzes von Tihany verweisen. Ein ähnliches Größenverhältnis bestätigt das sogenannte Otto-Kreuz — früher Mathilde-Kreuz genannt — in der Schatzkammer des Essener Münsters. Die auf dem Kreuz auf einem kleinen Emaillebild zu sehende Szene zeigt, daß Dux Otto ein auf einen Schaft gestecktes Kreuz seiner Schwester, der Äbtissin Mathild (Abbatissa), überreicht. Auf diesem Bild sind die Größe des Kreuzes und die der Figuren fast gleich. Das herrschaftliche Zepter mit einem kleinen Kreuz am oberen Ende ist eigentlich ein kleines Schaftkreuz, aber stellt ebenfalls ein Würdezeichen dar. Von Diesem sollen jene ausgewählt werden, die die Form eines gedehnten griechischen Kreuzes (crux graeca oblonga) besitzen, damit wir sie als Analogie zum Kreuz von Tihany benutzen können. Auf einem Emaillebild eines Kelchs aus dem X. Jahrhundert, das sich in der Schatzkammer der Kathedrale San Marco in Venedig befindet, ist der Apostel Petrus zu sehen, der in seiner linken Hand ein solches Zepter hält (Abb. 27). Ein Emaillebild aus dem XI. Jahrhundert stellt ebenfalls den Apostel Petrus dar (Metropolitan Museum of Art, New York), der in seiner Linken ein ähnliches Zepter hält (Abb. 28). Aufdem unteren Teil der ungarischen Königskrone, auf der sogenannten Reifenkrone, ist das Brustbild von König Géza zu sehen, der in seiner Rechten ein Kreuzzepter hält (Abb. 29). Auf einem Goldmosaik der Kathedrale San Marco in Venedig ist der Apostel Petrus mit einem Kreuzzepter dargestellt. Auf einem Türflügel des im XII. Jahrhundert für die Kathedrale der Heiligen Sophie in Nowgorod angefertigten sogenannten großen Sion (Kirchenmodells) hält der Apostel Petrus ebenfalls ein Kreuzzepter in der Hand. Die vielleicht ähnlichste Darstellung des Kreuzes von Tihany ist auf dem aus Elfenbein gefertigten sogenannten Barberini Diptichon (Louvre, Paris) zu sehen: der auferstandene Christus hält in seiner Linken ein auf einen zylindrischen Schaft gestecktes Kreuz. Die Form und Proportionen des Kreuzes sowie der zwischen dem Schaft und dem Kreuz befindliche Nodus sind fast gleich mit dem Kreuz von Tihany, obwohl diese Darstallung eine byzantinische Arbeit aus dem V —VI. Jahrhundert ist. Die Darstellungen des Kreuzzepters bestätigen auch aufgrund der aufgezählten Beispiele, daß es das Würdezeichen der höchsten kirchlichen Würdenträger und der weltlichen Herrscher war. Eine der Grabplatte von Tihany ähnliche und zeitgenössische Analogie kennt man in ganz Europa kaum. In Ungarn war das in Feldebrö während Ausgrabungen in der Kirche aus dem XI. Jahrhundert und in ihrer Krypta freigelegte Grab mit einer schmucklosen Steinplatte bedeckt. In England kann man auf der in Hooton Roberts in der Grafschaft York befindlichen Grabplatte aus Sandstein ein Vortragekreuz in schematischer Darstellung sehen, das sich über die gesamte Fläche erstreckt (Abb. 30). Ihre Datierung hängt eng mit der normannischen Invasion Wilhelm I. (des Eroberers) aus dem Jahre 1066 zusammen. W. Saal gibt den auf Grabplatten befindlichen Darstellungen von Vortragekreuzen eine andere Bedeutung und beruft sich dabei auch auf die Grabplatte von Tihany, wobei er aber ihre Rolle als Würdezeichen nicht anerkannte. Die naheste Analogie der Grabplatte von Tihany bedeckt das Grab der ersten ungarischen Königin, Giselas, in Passau. Diese Grabplatte ist 154 cm lang, 54 cm breit und 30 cm stark. Auf der Grabplatte ist auf einem spiralförmigen Schaft ein Kreuz ausgemeißelt, das beweist, daß die als Äbtissin des Klosters Niedernburg gestorbene Witwe, die Königin, von Ungarn, zusammen mit König Stephan I. (dem Heiligen) die Ungarn zum christlichen Glauben bekehrt hat. Das Würdezeichen der christlichen Herrscher, das Vortragekreuz, wurde zu Recht auf ihre Grabplatte gemeißelt (Abb 31). Das Recht der Benutzung der Vortragekreuze gebührte den ungarischen Königen. Die am Anfang des XII. Jahrhunderts aufgezeichnete Hartwick-Legende schreibt, daß der Papst Sylvester dem König Stephan dem Heiligen in Anerkennung seiner Aposteltätigkeit ein Kreuz sandte und erlaubte, daß er als König dieses Kreuz vor sich hertragen lassen durfte: ,,Crucem insuper ante regi ferendam velut in Signum apostola tus misit". Unabhängig von der Legende bedurfte König Stephan der päpstlichen Zustimmung nicht, da er als der christliche Herrscher, der die heidnischen Ungarn bekehrte, berechtigt war, ein apostolisches Kreuz, also ein Vortragekreuz, vor sich hertragen zu lassen. König Stephan war der Begründer, Organisator und Erhalter der ungarischen christlichen Kirchenorganisation. Die kirchenregierende Gerichtsbarkeit übte er ähnlich den deutsch-römischen Kaisern und allgemein den christlichen Herrschern aus. Er gründete Bistümer und Abtein, ernannte hohe geistliche Würdenträger und bediente sich also all jener kirchenregierenden Rechte, die vor dem Investiturkampf zwischen Papst Gregor VII. und Kaiser Heinrich IV. noch kein Problem darstellten. Die Darstellung des Vortragekreuzes kann man auch auf dem ungarischen Geld des XL Jahrhunderts finden, also wurde es von den Nachfolgern König Stephans benutzt und als Würdezeichen betrachtet. Das Ergebnis der logischen Schlußfolgerung ist, daß das Schaftkreuz auf der Grabplatte in Tihany das kirchenregierende Würdezeichen der ungarischen Könige ist und daß dies dem sogenannten apostolischen Kreuz gleich ist, genauer gesagt verwendete König Andreas 187