K. Palágyi Sylvia szerk.: Balácai Közlemények 1994/3. (Veszprém, 1994)
Festvorträge - GESZTELYI, TAMÁS: Das Bildprogramm des gelb-lila Zimmers in Baláca
schwebenden Schnur bewahrt hat (Abb. 5.). Diese kann kaum etwas anderes sein als der Schnürrimen des Jägerstiefels des Orion. Wenn dieses Fragment Orion darstellt, hat die Frauenfigur neben ihm keinen Sinn. Die Herausnahme aus der bisherigen Rekonstruktion würde keine Schwierigkeit bedeuten, weil die zwei Fragmente keine Berührungsfläche haben, so daß ihre Zusammengehörigkeit durch nichts bewiesen ist. Dagegen ist die Frauenfigur neben Perseus als Andromeda gut vorstellbar. Wie die anderen Darstellungen des Zimmers können wir auch Orion mit der Gedankenwelt der Herrscherideologie verknüpfen. Unter den Ungeheuern, welche die olympische Ordnung gefährden, erwähnt Horaz (carm. III 4, 53.) nicht nur Typhoeus, sondern auch Orion. Der erste ist von dem Blitz des Zeus, der zweite von dem Pfeil der Artemis getötet worden. Mit der Gestalt Orions ist das Bildprogramm des gelb-lila Zimmers vollständig geworden. Die zwei Tagundnachtgleichen und die zwei Sonnenwenden des Jahres sind mit den entsprechenden anthropomorphen Sternbildern dargestellt. Ihre Bedeutung ist ähnlich wie jene der Jahreszeitenfiguren: sie drücken die Ordnung und die ewige Erneuerung der Natur aus. Aber wir wissen gut, daß das Unterpfand dieser Ordnung und Erneurung in der kaiserzeitlichen Ideologie der Kaiser selbst war. Es ist also kein Zufall, daß die Geschichte der ausgewählten Sternbilder an die Person und die Taten des Kaisers anknüpfen, mit denen er die Menscheit von den verwüstenden Kräften bewahrte und die olympische Ordnung und Gerechtigkeit in seinem Reich sicherte: imperio regit unus aequo (Horaz, Carm. III. 4,48). Meines Erachtens hatte die Wandmalerei des gelb-lila Zimmers gut durchdachte Szenen mit mehrschichtiger Bedeutung. Einerseits haben diese je eine Geschichte der griechischen Mythologie zitiert, deren gemeinsamer Zug das Überwinden der bösen und schädlichen Kräfte ist. Anderseits ist jede Szene ein Sternbild, das je einen Wendepunkt der Ekliptik bedeutet und so die Ordnung der Natur ausdrückt. Drittens bekommen die Szenen mit der Aktualisierung der ersten zwei Bedeutungen auch einen politisch-ideologischen Inhalt. Der Herrscher, den diese Szenen betreffen, kann niemand anderer als Augustus sein. Es ist aber offensichtlich, daß die Malerei nicht aus der augusteischen Zeit stammt. Augustus und seine Ideologie waren aber immer ein Vorbild für die Nachfolger. Im frühen Prinzipat wurde zur Zeit Hadrians die Erinnerung an ihn besonders stark wachgerufen. Die Erscheinung des Capricorns und die Hadrianus-Augustus-Inschrift auf seinen Münzen feiern den 150. Jahrestag des Zustandekommens des Prinzipats. 22 Das Interesse der hadrianischen Kunst an der Astrologie, Allegorie und Personifikation 23 und ihr ikonographischer Reichtum machen es leicht vorstellbar, daß die Wandmalereien der ersten Periode in Baláca zu dieser Zeit verfertigt worden sind. Ohne eine stilistische Untersuchung der Malereien dürfen wir aber nichts Endgültiges sagen. Über den Eigentümer der Villa, der die Malereien bestellt hat, wissen wir nichts. Aufgrund der Bewertung der Darstellungen können wir aber feststellen, daß er dem Herrscher nahe stand, seine Politik und Ideologie angenommen hat, die Kultur und die Bilderwelt seiner Zeit gut kannte, anspruchsvoll hinsichtlich seiner Umgebung und natürlich genug reich war. In seiner Villa können wir das gelb-lila Zimmer mit seinem gedanklichen Reichtum sogar neben die Wanddekoration der Casa dei Vettii stellen. 24