Bencsik János szerk.: Hajdúsági Múzeum Évkönyve 1. (Hajdúböszörmény, 1973)

Die Travestien des Vaterunsers in der Folklore

Zoltán Ujváry DIE TRAVESTIEN DES VATERUNSERS IN DER FOLKLORE Die Folkloreforschung hat sich mit den volkstümlichen Vaterunser-Travestien noch nicht beschäftigt. Die Literaturwissenschaftler sind der Meinung, dass sie mittelalterlichen Ursprungs sind und anfangs nur in den höheren Gesellschaftschichten bekannt waren. Sie verbreiteten sich unter dem Volk in Ungarn vermutlich erst vom 18. Jahrhundert an. Die Muster der Vaterunser-Travestien finden wir in der Handschrift gebliebenen Kunstdichtung. In deren Verbreitung spielte besonders die handschriftliche Studentendichtung eine bedeu­tende Rolle. Die volkstümlichen Vaterunser-Travestien sind in den verschiedensten Varianten be­kannt. Man nimmt das Vaterunser als Rahmen für den Ausdruck von Gedanken politischer und gesellschaftlicher Natur und baut die einzelnen Zeilen des Vaterunsers in den Text hin­ein. Die Travestien sprechen über die Fremdenherrschaft, über die Raubzüge fremder Söld­nerheere, über die Schweren Abgaben aller Art, usw. Unter den Vaterunser-Travestien gibt es sehr viele, die sich auf das Soldatenleben beziehen. Ein Teil davon ist humoristischer Art und dient zum Vergnügen, zur Belustigung. In vielen von ihnen spürt man aber eine karrikierende und ironisierende Kritik des Soldatenlebens und des bestehenden Macht­systems. (Diese Feststellung gilt natürlich nur für die Zeit vor dem Ende des 2. Welt­krieges.) In meinem Aufsatz führe ich mehrere Vaterunsertravestien an. Es waren aber auch Travestien des Credo und der Zehngebote bekannt. Ich führe auch für diese einige Bei­spiele an. All diese Travestien kamen nicht nur- selbständig vor, sie kamen auch im Kontext ver­schiedener Bräuche vor. So z. B. in Begräbnisparodien, in Faschingsspielen und in Bethle­hemspielen, usw. Diese lassen uns darauf schliessen, dass diese Gattung tief in der Volks­seele, bez. Volkstradition wurzelt. Die Forschung in Bezug auf die travestierten christlichen Elemente (Gebete, Glaubensformeln, biblische Geschichten) in dem ganzen Gefüge der Volkskultur muss noch fortgesetzt werden. 182'

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