Szende Katalin – Kücsán József szerk.: Isten áldja a tisztes ipart - Tanulmányok Domonkos Ottó tiszteletére. A Soproni Múzeum kiadványai 3. (Sopron, 1998)
Helmut Bräuer: Verarmungsprozesse im mitteleuropäischen Handwerk während der frühen Neuzeit
Die hier fur die Schneider vorgelegten Beobachtungen von Armut und Verarmung können bei der Durchsicht des Materials für die Wiener Schuster bestätigt werden 4 Es verlangt aber die konstatierte Armut im Handwerk eine differenzierende Sicht. Zwei Beispiele sollen hier die Spannweite andeuten: 1. Im Jahre 1771 starb der bürgerliche Schneidermeister Christoph Langer vom Wiener Vorort Erdberg. Er war ursprünglich mit 12 fl Steuer veranlagt worden und dann sehr rasch in Sozialverfall geraten, zahlte seit 1760 nur noch 2 fl, und seit 1767 ließen ihn die Behörden von der Besteuerung gänzlich aus. Er sei „als ein Betler gestorben" (StLA Wien, Unbehaustes Buch/Schneider, Bl. 56). Der Verlassenschaftsakt bestätigt die Besitzlosigkeit, konstatiert aber, daß die Witwe die laut Heiratskontrakt ihr gehörige Bürgerliche Schneidermeistergerechtigkeit „an einen Schneider Gesellen Nahmens Ignatz Täufl cedirt" und dem mit Genehmigung der Niederösterrereichi sehen Regierung für 150 fl „gäntzlich überlassen" habe. Diese Summe wurde nun für die (erst sieben Jahre alte) hinterbliebene Tochter angelegt (StLA Wien, Verlassenschaftsakt Fasz. 326/13-1771). Unterhalb des Begriffes „Armut" konnte also - gedeckt durch die Ehevereinbarung - durchaus ein bestimmtes Vermögen bei der Ehefrau/Witwe vorhanden sein, selbst wenn der Mann als „betlarm" galt. 2. Mit 4 fl Steuer war Peter Fleischmann, wohnhaft im Wiener Vorort Auf der Landstraße, 1749 eingestuft worden, zahlte aber seit 1754 nur noch 3 Gulden. Die letzte Steuer von 2 fl war nicht mehr einzutreiben. Als er 1771 starb, wurden die ärmlichen Verhältnisse, unter denen er sein Handwerk betrieben hatte, offenbar. Seine Witwe führten die Behörden nun als „Eine Bettlerin" (StLA Wien, Unbehaustes Buch, Bl. 264b). Im Verlassenschaftsakt wurde die Wohneinrichtung mit höchstens 12 Gulden geschätzt, so daß eine Bruderschaft die Begräbniskosten übernahm, für die mindestens 30 bis 40 Gulden aufzubringen gewesen wären (StLA Wien, Verlassenschaftsakt Fasz. 545/4781771). Die beiden Beispiele demonstrieren, daß die Armut eines Handwerkers relativ war. Selbst die Bindung an den Bettel schloß bestimmte Formen von Kleinstbesitz, u. a. einen festen Wohnplatz, Kleidung und Gerätschaften für Gewerbe und Haushalt, nicht aus. Die Zugehörigkeit zur Zunft stellte außerdem einen Schutz dar, der bei anderen völlig verarmten Leuten fehlte. 4 StLA Wien, Steueramt, B 8/7, Unbehaustes Buch, Schustermeister 1749-1775. - Auch in Leipzig nahmen in der ersten Hälfte des 18. Jh. Schneider und Schuster unter den Almosenleuten eine heraus-ragende Sonderstellung ein. Charakteristisch ist die Auskunft des Schneiders Martin Specht, der den Behörden erklärte, „er habe ja keinen Schlag Arbeit." Vgl. StadtA Leipzig, Stift. VII. 10 (1729), Bl. 25-34, Zitat Bl. 29. 15