Demeter Zsófia (szerk.): Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis - Szent István Király Múzeum közleményei. C. sorozat 41. (Székesfehérvár, 2012)

Tanulmányok - Lukács Miklós: Das Bauopfer-Motiv in der deutschprachigen Literatur

Alba Regia 41. (2012) bestimmten Pfeiler, an dem nicht weiter gemauert werden durfte, und zu dem Zwecke eine Festlichkeit stattfand, trat des Baumeisters Kind in die Torhalle, um dem Vater eine Botschaft zu überbringen. Da stürzten sich Bauleute, auf Befehl des Grafen, der beim Feste anwesend war, auf das Kind, schleppten es zum halbfertigen Pfeiler und mauerten es ein. So sehr sich der Vater auch dagegen widersetzte, so musste er schließlich dem Wordaute des von ihm uterschriebenen Vertrages entsprechen. Als man, nach Jahrhunderten die Burg umbaute, fand man in einer Mauernische die Gebeine des eingemauerten Kindes.” 38 Margot Schindler selbst hat die Geschichte aus Franz Kießlings Frau Saga im niederösterreichischen Waldviertel entnommen.39 Ich hatte im Jahr 2004 und 2007 die Möglichkeit im Rahmen eines Kurzstipendiums der ARGE-Donauländer in Niederösterreich (genauer in der Landeshauptstadt Sankt Pölten und in Gobelsburg selbst) dem Thema nachzugehen. Das alte Schloss in Gobelsburg wurde schon abgerissen, an der Fundstelle selbst konnte ich also nichts finden, wohl aber in der Pension, wo ich gewohnt habe: Die Besitzerin der Pension Blumberger, Frau Helene Blumberger hat für mich eine Nachschrift kopiert, die sie in den 1960-er Jahren in Heimatkunde geschrieben hat und in der die Sage auch vorkommt. In haargenau gleicher Weise, wie bei Margot Schindler40. Nur ein Zufall? Glaube ich kaum. Es ist wahrscheinlicher, dass in den 60ern diese Geschichte in Niederösterreich so verbreitet war, dass sie selbst in der Volksschule eines winzigen Dorfes unterrichtet worden war. Natürlich hat sich nun auch dort vieles geändert. Die Mehrheit der jungen Leute pendelt in die Großstädte (nach Krems oder Sankt Pölten) die Volksschule existiert nicht mehr, so erinnern sich heutzutage wenige an die alten Sagen. Aber das sie in einer Grundschulnachschrift niedergeschrieben wurde, zeigt, dass solche Bauopfergeschichten auch an österreichischen Schulen unterrichtet werden (oder wurden). Diese Sage unterscheidet sich in vielen Punkten wesentlich von der Kőmíves Kelemen-Ballade: 1. Nicht die Ehefrau, sondern die kleine Tochter des Baumeisters wird geopfert. 2. Sie wird nicht vorher getötet, sondern lebendig eingemauert. 3. Im Gegensatz zur ungarischen Ballade kann der Baumeister die höheren Mächte nicht um Hilfe bitten, er muss sich völlig unvorbereitet mit der Tragödie konfrontieren. 4. In der österreichischen Sage gibt es keine Vor­­und Nachgeschichte: Niemand weiss, warum der Graf jemanden einmauern lassen will, und niemand findet heraus, wie sich die Familie des Maurermeisters mit der Tragödie konfrontiert. 5. Hier fehlt jede Spur von Schicksalshaftigkeit, von Deus ex Machina, die Tragödie ist nur dem Zufall zu „verdanken”. 6. Diese Geschichte ist keine Ballade, denn sie hat nicht die Form einer Ballade, sie ist in Prosa geschrieben und ist in der mündlichen Überlieferung als Sage übriggeblieben. Weitere volkskundliche Funde des Bauopfers im deutschen Sprachgebiet Bauopfer gab es aber nicht nur in Niederösterreich: Franz Glaser berichtet von einem Bauopfer in Kärnten: Unter dem Kirchenboden der Hemmaberg-Kirche konnten nicht nur Fsstrichreste und ein Hei^kanal beobachtet sondern auch zahlreiche Kleinfunde geborgen werden. Abgesehen vom ostmediterraner und nordafrikanischer Terra Sigillata kam hier eine alemannische Bügelfiebel aus Silber mit Vergoldung zutage, die uns aufgrund ihrer Datierung einen wertvollen Hinweis auf die Entstehungszeit der Kirche am Ende des 6. Jahrhunderts gibt. Da^u kamen noch eine Hahnen- und Pfauenfibel, die in der Baugrube und in der Planierung an der nördlichen Sakristeimauer gefunden wurden.41 Das die Überreste in einer Kirche und nicht in einem Wohnhaus gefunden worden waren, lässt die schon früher besprochene These von Wilhelm Jesse über das Totenopfer neglegieren. Bauopfer und Einmauerung in der Deutschen Mythologie von den Gebrüder Grimm Die Deutsche Mythologie von Jakob Grimm ist ein sehr reichhaltiger Fundort der Bauopfer-Geschichten. Im 35. Kapitel (Aberglauben) weisen die Authoren auf viele rimeile Einmauerungen hin: In Müllenhoff wird ein lebendiges Kind in einem Deich vergraben; in Hondsdam kann man durch die Einmauerung einer Metze Gerste und einer Schüssel Wasser für gutes Wetter sorgen; in die Königsberger Mauer wurde ein anderthalb Jahre altes Kind einer gefallenen Magd lebendig eingemauert, aber am nächsten Tag war es schon verschwunden; auch zu Neuwegen wurden Knaben und Jungfrauen lebendig begraben; Vortigerns Turm will nur dann bestehen, wenn der Grundstein mit dem Blut eines außerehelichen Kindes benetzt werden kann; im Copenhagener Wall wird auch ein Mädchen 38 SCHINDLER 1981, 86. » KIESSLING 1924,18. 40 SCHINDLER 1981, 86. 41 GLASER 1996, 34. 55

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