Demeter Zsófia (szerk.): Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis - Szent István Király Múzeum közleményei. C. sorozat 41. (Székesfehérvár, 2012)

Tanulmányok - Lukács Miklós: Das Bauopfer-Motiv in der deutschprachigen Literatur

Alba Regia 41. (2012) Unter den Sammlungen des Volkmusikforschers László Lajtha lässt sich eine erweiterte Variante (aus Ajnád, Kom. Csík, 1912) dieser Bauopfer-Ballade finden, was ein ganz merkwürdiges Ende hat: Die Frau des Baumeisters Kelemen brachte während der Einmauemng ihren kleinen Jungen auf die Welt, und stillte ihn sieben Jahre lang, indem sie ihre Brüste aus einem kleinen Loch herausschieben konnte. Nach den sieben Jahren brach sie aber aus der Mauer heraus und ging geradewegs zur zweiten Hochzeit seines Gatten (sie war dazu noch splitternackt, weil ihr die Kleider schon abgefault waren). Als der Baumeister sie sah, riss er die Kleider seiner Braut vom Leib, gab sie seiner Frau, und bat sie um Verzeihung. Und sie lebten weiter, glücklich und zufrieden... Zu bemerken ist bei dieser Variante das schon erwähnte Phänomen des „Zersingens”, denn auch hier ging die Gedichtform des zweiten Teils (von der Geburt des Kindes an) verloren und der Gewährsmann hat die Geschichte in Prosa ersetzt.21 Die „Heckenrosen” und der „Heckenrosen-Prozess” Von den ungarischen Balladenforschungen ist sicherlich die von Vargyas die wichtigste, aber die szeklerische Volksgedichtssammlung von János Kriza (genannt Heckenrosen)22 aus dem Jahr 1863 ist höchstwahrscheinlich die erste. János Kriza hat über 20 Jahre lang in Siebenbürgen Gedichte, Lieder und Geschichten (darunter auch die Baumeister Kelemen-Ballade) des ungarischen Volkes (der Szekler) aufgezeichnet und daraus die erste Sammlung der siebenbürgisch-ungarischen Volksdichtung zusammengestellt. Dieser Band war ein Muster für alle späteren Forscher der Volksdichtung von Zoltán Kodály bis Lajos Vargyas. Da es früher überhaupt keine Forschung zum Thema siebenbürgisch-ungarische Volksdichtung gab, wurde diese Sammlung vom heimischen Publikum mit Erstaunen und großem Beifall begrüßt: Eine besonders große Ehre war für Kriza, dass er durch sein Werk Mitglied der Kisfaludy-Literaturgesellschaft (einer noch in der Reformzeit entstandenen und äußerst anspruchsvollen kulturellen Organisation) wurde und den akademischen Samuel-Preis gewann. Der große Jubel wurde aber 1864 vom siebenbürgisch-rumänischen Iulian Grozescu unterbrochen: Der junge Dichter-Publizist hat in seinem Artikel Über ein Paar s^eklersche Heckenrosen23 behauptet, Kriza habe die Kőmíves Kelemen-Ballade nicht in Siebenbürgen gesammelt, sondern die rumänische Ballade von dem Kloster in Árgyes (siehe Kap. 6.4.) einfach ins ungarische übersetzt und die originellen rumänischen Namen mit ungarischen ersetzt. Kurz gesagt: Kriza habe die rumänische Ballade gefälscht und sie als original ungarische dargestellt. Darauf entbrann eine heftige Debatte, die der große Dichter János Arany den „Heckenrosen-Prozess” nannte. Als erster hat László Arany (János Aranys Sohn) die Heckenrosen in Schutz genommen. Er meinte, dass: 1. Zwischen den zwei Balladen große inhaltliche Unterschiede sind und nicht nur in den Namen. 2. Zwischen dem Balladenschatz der verschiedenen Völker so große Ähnlichkeiten bestehen, dass niemand genau wissen kann, welches Volk vom welchen Volk welche Geschichte übernommen hat. Möglicherweise sind die Themen der einzelnen Balladen bei jedem Volk individuell und ohne Übertragung erschienen. 3. Die Ungarn hatten schon mit zahlreichen anderen Völkern vor den Rumänen Kontakt gehabt (von einigen türkischen und arabischen Stämmen bis hin zu den im Kaukasus lebenden Völkern und den Nationalitäten, die schon integriert worden sind), so lässt es sich wieder nicht genau bestätigen, was sie von wem übernommen haben. Die wissenschaftliche Gesellschaft hat zuletzt die Beschuldigungen Grozescus abgelehnt und festgestellt: Die Ballade stammt durchaus von den Szeklern und ist keine bloße Übersetzung aus dem rumänischen. Diese Debatte kann aber als der Anfang des ungarischen-rumänischen vergleichenden Volkskunde betrachtet werden. Daraus lässt sich sehen, wie wichtig es ist die einzelnen Kulturen miteinander zu vergleichen und zu begreifen, dass viele kulturelle Motive der Nationen parallel zueinander (oft ohne jegliche Übertragung) existieren können.24 Bauopfer in den von Ungarn besiedelten Gebieten der Slowakei und Serbien Varianten der Kőmíves Kelemen-Ballade existieren auch im Oberland (Felvidék-heute die Slowakei) und in der Voiwodina (Vajdaság-heute Teil Serbiens). Diese Gebiete sind teils von Ungarn besiedelt so konnte diese Bauopfer- Ballade ungestört verbreitet werden. 2' LAJTHA 1992, 36-38. 22 KRIZA 1863, 314-317. 23 GROZESCU 1864, 488-489. 24 FARAGÓ 1971,149. 49

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