Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 24. 1986-1988 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1990)

Szemle – Rundschau - Kiss Attila: Über einige chronologischen, siedlungsgeschichtlichen und geschichtlichen Fragen des 10–11. Jahrhunderts. p. 197–209.

VI. DIE FRAGE DES „HISTORISCHEN BILDES" „Die historische Zusammenfassung des Verfassers" - schreibt I . Bona- „steht im Gegensatz sowohl zur de slawischen als auch der ungarischen Siedlungsgeschichte." (1984b, 294). Sollte das hießen, daß dieses Gebiet eine slawische (oder von slawi­schen Forschern geschriebene) und eine ungarische (oder von ungarischen Forschern geschriebene) Siedlungsgeschichte hat? Ich behaupte jedenfalls nach wie vor, daß jedes Gebiet - und sei es das gesamte Karpatenbecken oder nur ein einziges Komitat - eine einzige Siedlungsgeschichte hat, ungeachtet der Nationali­tät des Forschers, der sie zu Papier brachte. Und innerhalb dieser einzigen Geschichte, wie auch im Leben überhaupt, kom­men auch Ungarn und Slawen gut miteinander aus. Der nächste Gedanke von I. Bona : „Baranya - wie wir gesehen haben - war im 9. Jh. gewiß bewohnt (Quinque Basili­cae, Karolingerschwert von Szigetvár, Pécs und Baranya..." (1984b, 294). Abgesehen von seiner eingangs (allerdings nicht wörtlich) angeführten Feststellung („Das gegenwärtige Forschungsniveau des Komitats Baranya ist ... zur Beantwortung gerade jener Fragen von großer Tragweite weniger geeignet, die in der Bewer­tung des Bandes einen entscheidenden Akzent bekommen ha­ben, nämlich: die siedlungsgeschichtlichen, chronologischen und ethnischen Verhältnisse" (Ibid., 283), dürfte es doch nach­denklich stimmen, daß er den Mut aufbringt, mit zwei schriftli­chen Angaben bzgl. einer einzigen Siedlung (wobei der lateini­sche Name von Pécs keinerlei Ethnikum bezeichnet) sowie mit zwei schwerlich datierbaren Streufunden (auch diese Schwerter sind nicht mit ethnisch eindeutig bestimmbaren Gestorbenen in Verbindung zu bringen !) das Bewohntsein des Gebietes im 9. Jh. zu „beweisen". (Nur zum Vergleich : Aus der Spätawarenzeit vor dem umstrittenen „siedlungsgeschichtlichen Vacuum" sind 45 Fundorte bekannt (Kiss 1974; Kiss 1977; Kiss 1979a; Nagy 1982), und immerhin 43 Fundorte aus der Periode 960/970-1100 in dem Gebiet, welches Bona für schlecht durchforscht hält (Kiss 1983a)). „... die slawischen Dorfnamen des Komitats" - fährt Bona fort - „dürften im Laufe des 9. Jh. von sich ansiedelnden Slawen oder slawisierten Awaren entstanden sein. Von diesen haben zumindest 30 Dorfnamen die ungarische Landnahme und Staatsgründung überstanden und sind bis zur Arpadenzeit oder sogar bis auf heute aufrechtgeblieben." (Bona 1984b, 294). Von dieser These ist nur das eine als erwiesen anzusehen, daß die slawischen Ortsnamen um eine „Schicht" älter sind als die ungarischen (Kniezsa 1938a und 1938b), und durch die ungari­sche Population von den hier bereits früher angesiedelten Sla­wen übernommen wurden. Keinerlei Beweise gibt es hingegen dafür, daß die slawischen Ortsnamen, im Sinne absoluter Datie­rung, mit Bestimmtheit aus der Zeit vor 900, der transdanubi­schen Landnahme der Ungarn, stammen würden, zumal sie aufgrund der linguistischen relativen Chronologie in Baranya ebensogut Produkte des I. und IL Drittels des 10. Jh. sein könnten ! Ebenso gibt es keinen Beweis dafür, daß es unter den Schöpfern der slawischen Ortsnamen auch slawisierte Awaren gegeben hätte, denn um dies behaupten zu können, müßte Bona vorerst beweisen, daß die spätawarenzeitliche Population von Baranya verslawt war, und die Ungarn die Ortsnamen von ihren Nachkommen übernommen haben. Bona bleibt uns aber beide Beweisführungen schuldig; vielmehr schreibt er statt dessen: „Eine ernste Mangelhaftigkeit ist, daß wir die Spuren und Grä­berfelder dieser slawischen Dörfer des 9. Jh. aus dem ungari­schen Baranya bis jetzt nicht kennen... (Bona 1984b, 294. Mir scheint, diese Äußerung steht irgendwie im Widerspruch mit einem früheren Bóna-Satz: „Baranya... war im 9. Jh. gewiß bewohnt". (Ibid., 294)! (...auch die jugoslawische Archäologie konnte sie nicht in Baranja aufklären. Ihre Ortsnamen verraten, daß in Baranya im Laufe des 10. Jh. Slawen existierten. .." (Bona 1984b, 294). Als hätte ich das Gegenteil behauptet! Gerade aufgrund der bekannten toponymischen Angaben (Kniezsa 1938a und KNIEZSA 1938b) schrieb ich: „...der arpadenzeitliche Teil (11.-13. Jh.) des Ortsnamensgutes von Baranya zeigt uns, daß in gewissen Teilen des Komitats - vor allem in der Zone entlang der Drau sowie an den Hängen des Mecsek-Gebirges ­vor den sich dort niederlassenden Ungarn Slawen gelebt haben." (Kiss 1983a, 276). Die nächste Einwendung von I . Bona: „Den slawischen Ortsnamen stellt Kiss in Baranya die archäologischen Fundorte des 10.-11. Jh. entgegen (Karte der Abb. 143) und nicht die gleichartigen ungarischen Ortsnamen, was methodologisch dis­kutabel ist" (1984b, 294). Die Fundorte von Baranya aus dem 10.-11. Jh. habe ich tatsächlich zusammen mit den slawischen Ortsnamen des 10.-11. Jh. kartiert. Aufrund der Forschungen von Kniezsa (1938a und KNIEZSA 1938b) war mir nämlich klar, daß die Ortsnamen der vor den sich hier niederlassenden Ungarn angesiedelten Slawen nicht nur früher entstanden sind als die ungarischen Ortsnamen, sondern auch ihre Entstehung früher beendet wurde. Die ungarischen Ortsnamen begannen aber nicht nur später als die slawischen zu entstehen, sondern ihre Entstehung setzte sich noch in der gesamten Arpadenzeit (und sogar auch nachher) fort. Das chronologisch leichter zu umgrenzende slawische Ortsnamensgut ist also zur Herstellung einer Kontrastkarte (um die Verbreitung archäologischer und linguistischer Angaben zu vergleichen) besser geeignet als das ungarische Namensgut, welches auf der Karte als weißer Fleck erscheint. Nur nebenbei: Offenbar aufgrund ähnlicher Überle­gungen wurden die Angaben von I . Kniezsa auch bei der Zusammenstellung der historische Geographie vom Ungarn der Arpadenzeit auch von Gy. Györffy ähnlicherweise adap­tiert (GYÖRFFY 1966, 251: Karte von Baranya mit slawischen bzw. mit slawischen und ungarischen Ortsnamen gemischt ­ohne Anführung ungarischer Ortsnamen!). „Die Dörfer mit ungarischen Namen dürften nicht von heute auf morgen - ,nach 970' oder bei der Staatsgründung - entstan­den sein und konnten nicht mit einem Schlag an die Stelle des im Komitat überall allmählich zurückgedrängten oder sich assi­milierenden Slawentums treten" (Bona 1984b, 24), argumentiert Bona gegen die, nach meiner Ansicht späteren Ansiedelung der Ungarn in Baranya. Es wäre ja interessant zu wissen, ob sich dieser Prozeß nicht ebenso „von heute auf morgen" abgespielt hätte, wenn es nicht, wie in meiner Arbeitshypothese angenom­men, zu Beginn des letzten Drittels des 10. Jh. (Kiss 1983a, 276, 306), sondern im Augenblick der „kanonisierten" transdanubi­schen ungarischen Landnahme im Jahre 900 dazu gekommen wäre. Vom chronologischen Unterschied von 60-70 Jahren ein­mal abgesehen : welch substantieller Unterschied könnte im Ver­lauf des Prozesses existieren? Die siedlungsgeschichtliche Problematik des Komitats Bara­nya im Zeitraum von cca. 900 bis Anfang des letzten Drittels des 10. Jh. ließe sich meines Erachtens heute - ungeachtet der künf­tigen theoretischen (z. B. chronologischen) Forschungen und den - heute freilich noch unsichtbaren - Ergebnissen künftiger Grabungen - im folgenden zusammenfassen : .1. Kann man die heute von etwa 960/970 datierten Funde auf den Beginn des 10. Jh. zurückführen, d. h. zurückdatieren? Denn die heute offenbar als Ausnahme geltenden ungarischen Funde von Dunaszekcsö und vielleicht von Mohács-Téglagyár lösen ja nicht die Frage des Bewohntseins des ganzen Komitats im I.—II. Drittel des 10. Jh. ! Das Fundgut, welches in der Periode um 960/970 beginnt und das typische Fundgut des 10.-11. Jh. aus Baranya darstellt, ist in die sog. Bjelo Brdo Kultur einzustu­fen. Mit der chronologischen Stiuation derselben hat sich jüng­stens J . G i e s 1 e r eingehend befaßt, und laut seiner Untersu­chungen - deren Ergebnisse mit denen der früheren ungarischen Forschungen übereinstimmen - beginnt diese Kultur in der II. Hälfte des 10. Jh; diese Feststellung präzisiert er in der Tabelle „Chronologische Gliederung der Bijelo Brdo-Kultur im 10.-11. Jahrhundert" auf die Zeit von 960 bis 970 (1981, 151, Taf. 53,2). Schon aufgrund dessen scheint eine Antedatierung des sog. Bjelo Brdo-Fundgutes von Baranya auf die Periode unmittelbar nach der ungarischen Landnahme nicht möglich zu sein. Ander­seits können wir nicht wissen, ob die erst zum Teil erschlossenen Gräberfelder von Baranya nicht auch einen, der Bjelo Brdo­Kultur vorangehenden Teil haben. Von der Wahrscheinlichkeit dessen habe ich aber bereits weiter oben geschrieben. 2. Ist die Datierung der stammeseigenen Ortsnamen und der Namen der diensthabenden/dienstleistenden Dörfer von der Zeit vor 960/970 nachweisbar, bzw. ist es zu beweisen, daß diese Schicht als Namengeber nach 960/970 nicht mehr existieren konnte? a. Das Entstehen der sog, stammeseigenen ungarischen Orts­namen, abgeleitet von den Namen der von Constantinus Por­phyrogenitus (Mitte des 10. Jh.) aufgezählten ungarischen Stäm­me (DAI cap. 40) datiert die Geschichtsforschung keinesfalls 206

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