Alba Regia. Annales Musei Stephani Regis. – Alba Regia. Az István Király Múzeum Évkönyve. 22. 1982-1983 – Szent István Király Múzeum közleményei: C sorozat (1985)
Die Anjovinen in Mitteleuropa - Engel Pál: Die Barone Ludwigs des Grossen, König von Ungarn. p. 11–19.
mit Stolz darauf berufen, daß ihr Ahnherr einst auf der höchsten Stufe der Hierarchie stand, sie selbst also „Palatinssöhne", „Gespanssöhne", „Woiwodensöhne" oder „Banussöhne", das heißt, „Baronensohne" (filii baronum) sind. Wie bereits erwähnt, war eine Position in der Hofaristokratie meist hereditär. Nicht die Honordomäne wurde erblich — dafür gibt es praktisch kein Beispiel —, wohl aber der Baronenstatus selbst, die damit einhergehende gesellschaftliche Position und die Möglichkeit, daß der Sohn des Barons, sobald er vollberechtigtes Mitglied des Hofes wurde, auch selbst ein Honor erhielt und seine Amtskarriere antrat, wie es einst sein Vater tat. In der zweiten oder dritten Generation beginnt diese Karriere freilich früher und verlangt weniger Krafteinsatz. Der Vater sichert gewöhnlich noch zu Lebzeiten seinem Sohn eine Position im Kreise der Privilegierten, und eine derart gestartete Laufbahn führte ja bald in die Höhe. Durch diese Praxis des hereditären Status gestaltete sich die zahlenmäßig geringe, aber um so mächtigere Oligarchie der Barone. Die Mitglieder mancher Familien, die ihr angehörten, überfluteten nachgerade die verschiedenen Ämter und eigneten sich einige für Jahrzehnte an, wie etwa die Lackfis die Würde des Oberstallmeisters oder des Woiwoden von Siebenbürgen. Die königliche Macht, allenfalls unter Ludwig d. Gr., nahm durch dieses System keinen Schaden. Die Oligarchie, mit der der König gemeinsam regieren mußte, bestand ja schließlich ausnahmslos aus den Kreaturen der Anjous, ausgewählt entweder von Ludwig selbst oder noch von seinem Vater Karl-Robert. Das politische System, welches sie leiteten, haben sie selbst, gemeinsam mit der Dynastie, begründet, ihnen gehörte darin jede Macht. Warum hätten sie auch dagegen etwas auszusetzen gehabt? Die ganze Regierungsgeschichte Ludwigs beweist ohne Zweifel, daß sie sich jederzeit bereitwillig seinem Willen unterwarfen, ihm mit ihren Truppen überall folgten, wo immer er sie hinführen oder schicken mochte, und unseres Wissens kein einziges Mal versuchten, sich ihm zu widersetzen. Gegenüber dem ganzen Rat hätte freilich ein einziger Baron gar keine Erfolgschancen gehabt; die Gefahr bestand vielmehr darin, daß sich die Zwistigkeiten zwischen den Machthabern in bewaffnete Konflikte entarten und das Land in einen Bürgerkrieg stürzen. Einstweilen gebannt durch Ludwigs persönliche Autorität konnte diese Gefahr zwar erst nach dessen Tod Wirklichkeit werden, führte aber dann in wenigen Jahren zum Zusammenbruch des Anjou-Reiches. Die Herrschaft einer Amtsaristokratie hat es im Laufe der Geschichte schon oft und in vielerlei Formen gegeben, doch erscheint in ihren als klassisch geltenden Varianten fast zwangsläufig jenes bedauerliche Syndrom sozialen Verhaltens, welches in der politischen Umgangssprache seit Gibbon als Byzantinismus bezeichnet wird. In Spuren sind zwar solche Erscheinungen auch an Ludwigs Hof zu entdecken, doch hat sich das ungarische Honorsystem in einer völlig anderen gesellschaftlichen Atmosphäre entwickelt und einen ganz anderen Herrschaftsform der Würdenträger repräsentiert. Gegenüber den „asiatisch" geprägten Varianten bedeutete den Unterschied des gesellschaftlichen Systems das Vorhandensein des auf dem Erbgut beruhenden Geburtsadels. Im 14. Jh. war die ungarische Gesellschaft in zwei höchst ungleiche Gruppen getrennt: Auf der einen Seite standen die Wenigen, die im Besitz eines geerbten Adelsgutes oder einer königlichen Schenkung zur privilegierten Kaste der „begüterten Menschen" (homines possessionati), d.h. der Adeligen zählten, auf der anderen die Vielen, die mangels eigenen Grundbesitzes als Unadelige (ignobiles) auf dem Gut der begüterten Klasse lebten, „unter fremdem Dach verborgen", um in der Ausdrucksweise der damaligen Zeit zu sprechen. Der Adelszustand bedeutete zwar nicht zugleich auch die Beteiligung an der politischen Macht, doch das Regime beruhte von vornherein auf dem Prinzip der Dichotomie der Gesellschaft. Wenngleich aus den Mengen der Adeligen nur relativ wenige unter die Nutznießer der Macht aufstiegen, waren die Aufgestiegenen doch ausnahmslos Adelige. Unadelige konnten am Anjou-Hof keinerlei Rolle spielen, es sei denn, auf kirchlicher Laufbahn. Die Atmosphäre des Hofes war also durch den Aristokratismus des Geburtsadels bestimmt. Darüber hinaus spielten aber in der Ausgestaltung des Herrschaftssystems auch andere gesellschaftliche Normen eine Rolle. Nach uralter Regel und jahrhundertelanger Praxis mußte der König seine Mitregenten aus der Reihe der Hochadeligen wählen, und zwar jeweils der reichsten und vornehmsten. Die Regel blieb nicht ungeschrieben: Sie wurde von Anonymus als dritter Punkt des „Blutvertrages" formuliert; demnach stand den Nachkommen der „fürstlichen Landeseroberer" jederzeit ein Platz im Rat und bei der Verteilung der Würden zu. In dieser Form war dies freilich nur ein Wunschtraum von Wenigen, doch galt es jederzeit als Norm, daß der Gesamtadel des Landes durch die Allergrößten vertreten werden soll, der königliche Rat also aus Großgrundbesitzern zu bestehen hat. Auch die Anjous hielten sich streng an diese Regel, teils indem sie ihre Parteigänger aus den königstreuen Mitgliedern der vornehmeren Geschlechter anwarben, hauptsächlich aber so, daß sie den Personen, denen sie Machtbefugnisse zukommen lassen wollten, angemessene Schenkungen verliehen. Nach diesen Gesichtspunkten schuf Karl-Robert in seinen neuen System die Aristokratie der Barone, und auch Ludwig d. Gr. folgte diesem Brauch. Er sorgte dafür, daß seine Günstlinge, denen er die meiste Macht anvertraute, auch auf der Skala des Reichtums immer vornehme Plätze einnehmen konnten : so bereicherte er der Reihe nach die Lackfis sowie Miklós Kont und Miklós Garai, deshalb ließ er Péter Czudar und seinen Geschwistern bescheidener Herkunft ein mächtiges Vermögen zukommen; darum übertrug er beinahe die ganze Erbschaft des ehemaligen Palatins, Dénes Péc, seinem Banus von Kroatien, Johannes Csuz, wodurch er diesen sozusagen aus dem Nichts emporhob und er von einem Tag zum anderen ein mächtiger Burgherr wurde. Als Gesamtwirkung all dieser Faktoren ist die Aristokratie der Barone in der Anjou-Zeit ein eigenartiges „doppelköpfiges" gesellschaftliches Gebilde. Sie ist einerseits eine Amts— und Hofaristokratie, deren Machtbefugnisse, die Beteiligung am Regieren, auf ihren Ämtern und den damit einhergehenden Dienstgütern beruht; andererseits ist sie auch eine Geburtsaristokratie mit dem Selbst Verständnis eines Hochadels, im vollen Bewußtsein ihrer von Geburt und Erbvermögen herrührenden gesellschaftlichen Bedeutung, eine Elitgruppe, deren neue Generationen bereits 18