Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Gabriella Schubert: Ungarische und türkische Vorbilder in den Wohnkulturen der Balkanvölker

benutzt — häufig enthält sie aber auch ein mit einem Herd ausgestattetes Zimmer, küsta im Bulg., und kuca im Skr., mitunter aber auch soba genannt. Dieser Raum, durch dicke Steinwände vollkommen isoliert, ist praktisch und bescheiden eingerichtet. Er dient als Wohn- und Schlaf­zimmer für die Familienmitglieder während der kalten Wintermonate, teils auch als Küche, sofern diese sich nicht außerhalb des Hauses befand. Ganz im Gegensatz zur unteren Etage, war die obere Etage des Hauses luxuriös und großzügig gestaltet; sie ist vergleichbar mit der belle etage des Barock. Pavillonartige, großzügige Zimmer ragen über die untere Hausmauer konsolenartig hinaus. Sie werden im Skr. cosak, im Bulg. kjósk genannt und wurzeln in der türkischen köshk- Architektur, in den pavillon-bzw. kioskartigen Bauten, die man in Edirne, Istanbul (Topkapi Saray) oder an der Küste des Bosporus sehen kann.(45) Hier lebt die Familie während der Sommermonate. Die Räume, in denen sich die Familie während ihrer Freizeit aufhielt, präsentierten gewöhnlich den ganzen Reichtum der Familie. Sie waren mit allen bereits beschriebenen Gegenständen eingerichtet und hatten gewöhnlich mehrere große Fenster, die den Ausblick nach drei Seiten hin gestatteten. Häufig war diesen Fenstern rings um die obere Etage ein geschlossener Bal­kon vorgelagert; dieser hieß cardak (< türk, çardak „Laubengang, Pergola“). Bezogen auf bosnische, aber auch andere balkanische Häuser dieses Typs bemerkt Megás : The Bosnian house mainly owes its final form to the gradual modification of the prostoon which extended in front of the rooms just as with the Greek and Bulgarian houses. There­fore, the remark made by Cvijic years ago, basically re­tains all its value, namely that the Greco-mediterranean type of house can be seen in Southern Serbia, Albania, Bulgaria and, in general, in all countries that were in­cluded in the Byzantine Empire or that had felt the influence of its ci­vilization. (4(i) Hier ist nicht der Platz, um über das byzantinische Erbe in der Kultur der Balkanvölker zu befinden. Byzantinisches Erbe mag sogar in der osmanisch-türkischen Architektur aufzuspüren sein(47). Jedoch ist jene Wohnkultur, die wir etwa in einem typisch-muslimischen Haus in Bosnien beobachten können, zweifellos an osmanisch-türkischen Vorbildern ausgerichtet; die Gestaltung des Innenhofes avlija (vgl. türk, avli, avlu „mit Mauern umgebener Hof“) als Aufenthaltsort der Familie an heißen Sommertagen, wo sich auch die Küche befand (kuca oder mutvak ge­nannt; vgl. türk, mut fák „Küche“). Doch der eigentliche Wohnbereich der Familie ist die obere Etage des Hauses, im sog. cosak, von denen es gewöhnlich mehrere gibt. Die Außenmauern dieser Pavillons sind mit riesigen Fen­stern versehen, die wie eine Konsole über die untere Etage herausragen und den Ausblick nach drei Seiten hin gestat­ten. Um diesen Ausblick zu wahren, gaben sich die Archi­tekten der Osmanenzeit allergrößte Mühe.(48) Die Bosnier nennen einen solchen Pavillon krilo „Flügel“, womit an­gedeutet wird, daß der Aufenthalt in diesem oberen Stock­werk das Gefühl des Schwebens in der Luft vermittelt. In den Zimmern finden sich alle bereits beschriebenen Einrichtungsgegenstände; vgl. in diesem Zusammenhang auch ihre skr. Namen, die sämtlich türkischen Ursprungs sind: pendzer „Fenster“; sofa „Podest“, abdestluk, ha­­mamdzik „Wasch- und Baderaum“ — ein solcher ist in diesen Zimmern stets zu finden. Er ist durch eine Holzwand abgeteilt und wird durch einen Kachelofen beheizt; vgl. ferner dusekluk „Einbauschrank“, der zusammen mit dem Baderaum und dem Ofen musandera bzw. papucluk ge­nannt wird und sich auf den Raum bezieht, wo die Schuhe beim Eintritt in das Zimmer abgestellt werden (vgl. hierzu auch Abb. 14.). Handelte es sich um eine besonders reiche Familie, so gab es eine größere Anzahl solcher Zimmer, die unterschiedlich nach der Jahreszeit benutzt wurden bzw. auch dazu dienten, die Geschlechter zu trennen — hier gab es Räume nur für Frauen bzw. nur für Männer. An dieser Stelle sollte auch die Etymologie von türk. oda erläutert werden. Mit diesem Wort wird nicht nur das Zimmer, sondern auch das Büro bezeichnet, wo öffent­liche Angelegenheiten abgewickelt werden, ferner das Offiziersquartier sowie eine Subdivision des Janitscharen­­regiments(49). Es ist verwandt mit osm.-türk. oxay „Zelt“, und die ursprüngliche Form *ÖTay scheint eine Derivation von öt „Feuer“ darzustellen, so daß *öTocy umschrieben werden kann als „das Zelt bzw. die Feuerstelle“. Die weitere Bedeutungsentwicklung dürfte sich wie folgt dar­stellen: —- „die Zeltgemeinschaft“ —«- „Raum im Hause“ (unter den Bedingungen der Seßhaftigkeit). Oda und die damit verbundene Wohnkultur ist in einigen Gebieten des Balkans so sehr heimisch geworden, daß sie Bestandteil der sog. nationalen Kulturen waren. Unter anderem stellen sie prägende Elemente des sog. bulgarischen Wiedergeburtsstils dar, der im bulgarischen Hausbau gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Zu­sammenhang mit der nationalen Emanzipationsbewegung aufkommt. Zu diesem Stil gehören jene Häuser des Plov­­diver Typs, die noch heute in Plovdiv, Koprivstica, Pa­­zardzik, Karlovo, Cirpan und Samokov zu besichtigen sind (vgl. Taf. II.: 3.). Eine riesige Vorhalle erstreckt sich über beide Stockwerke in der Mitte des Hauses; die oberen Stockwerke sind gewöhnlich durch gemeinsame Linien zu einer Fläche zusammengefaßt und springen im ganzen über das steinerne Erdgeschoß hervor. Der Oberbau ist fast immer zweistöckig. Die Zimmer sind symmetrisch um die große Vorhalle gruppiert — es sind geräumige Salons mit vielen großen Fenstern. In der Architektur dieser Häuser sind häufig westeuropäische Elemente des Barock und Rokoko (Bogenfenster, Vestibüle und Frei­treppen) festzustellen. Diese gibt es auch in der Innen­ausstattung (z. B. Decken- und Wandmalereien mit Gir­landen- und Blumenmotiven; Tische und Stühle im Stil des Barock, Rokoko oder Empire; die alafránga genannte, mit einem verzierten Spiegel ausgelegte Wandnische u. a.), obwohl die Umsetzung dieser Einflüsse immer verbunden ist mit einer Rückbesinnung auf nationale Traditionen. Hierbei werden osmanische Wohnelemente wie die juk- Ijuci, musandri, minderlük und dzamal wieder aufgegriffen. Die orientalische Wohnkultur bleibt, wenn auch im neuen (45) Vgl. Osman; Eidem, 2ffi, (46) Megás 94. (47) Solche liegen vielleicht bei den Konsolenkonstruktionen vor, die die obere Etage der Häuser über die untere Haus­mauer herausragen lässt. (48) Celic 40. (49) Vgl. Redhouse 235. 53

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