Anders Alexandra – Lőrinczy Gábor szerk.: A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve: Studia Archaeologica 12. (Szeged, 2011)

SOMOGYI Péter: Byzantinische Fundmünzen in der Awarenforschung — eine Forschungsgeschichte von den Anfängen bis zum Jahre 2010

SOMOGYI Péter archäologischen und numismatischen Belege keine Frage ist, liegen keine Angaben darüber vor, ob die byzantinischen Münzen auch als Zahlungsmittel verwendet wurden. Nachdem Attila Kiss die zeit­liche Verteilung der innerhalb des awarischen Siedlungsraums zutage gekommenen Importwaren byzantinisch-italischer Herkunft und die der by­zantinischen Fundmünzen verglichen hatte, stellte er fest, dass die byzantinisch-awarischen Handels­beziehungen nur solange bestanden, wie im Awa­renland auch byzantinische Goldmünzen umliefen. Aus dieser Beobachtung und aus der Verbreitung der byzantinischen Kupfermünzen, aus der Her­stellung von Imitativprägungen und Münzersätzen, sogar aus der durch zahlreiche Grabfunde beleg­ten Verwendung der römischen Bronzemünzen schließt nun Attila Kiss, dass bei den Awaren, im Gegensatz zu früheren Meinungen, die byzantini­schen Gold-, Silber- und Kupfermünzen bzw. die römischen Bronzemünzen sowohl im Außen- als auch im Binnenhandel als Geld funktionierten. Die kuranten Kupfer- und die alten Bronzemünzen dürften seiner Meinung nach richtige Scheidemün­zen gewesen sein. Um seine Folgerung zu unter­mauern, legt Attila Kiss seine Bestandsaufnahme über die Fundmünzen und über die Fundobjekte nichtawarischer Provenienz vor, wobei die Ver­breitung der Fundmünzen auch kartiert ist. M Die Schwächen der Kiss'schen Beweisführung liegen auch diesmal in der Arbeitweise, mit der der renommierte Frühmittelalterforscher seine Mate­rialaufnahmen anging. Seinen lawinenartig veröf­fentlichten, umfangreichen Materialaufnahmen, die sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk ziehen, ging nämlich die kritische Überprüfung der aus der Literatur mit ungeheurem Fleiß zusam­mengetragenen Angaben — vermutlich aus Zeit­mangel — nur selten voran. Ein großer Verlust für die Awarenforschung, weil Attila Kiss sonst einen ausgezeichneten Spürsinn dafür hatte, in alten Wer­ken vorgelegte, mittlerweile längst in Vergessen­heit geratene Altdaten „auszugraben". Ein schönes Beispiel dafür sind die vojvodinisch-sirmiensi­schen Dinarfunde des späten 8. Jahrhunderts, die Attila Kiss für die Awarenforschung entdeckt hatte (KISS 1986, 119-120, Abb. 8; KISS 1996, 229, 236, Liste 7). Obwohl sein Zugang zur Quellengruppe meinem immer schon fern stand, haben seine obigen Ar­beiten und die in den frühen 1990er Jahren mit ihm geführten Gespräche meine Aufmerksamkeit auf Fragen und Themen gelenkt, die ich womöglich nie gemerkt, oder wenn ja, dann ganz anders be­handelt hätte. Umgekehrt gilt auch, dass Attila Kiss, trotz skeptischer Haltung gegenüber den von mir eingeführten strengen Auswahlkriterien, die meisten Ergebnisse, die ich bei der kritischen Neu­bearbeitung der byzantinischen Fundmünzen erzie­len konnte, letztendlich doch annahm. 8 2 Obwohl die byzantinischen Grabfundmünzen seit den Anfängen der Awarenforschung zur Be­stimmung der Grablegungszeiten und zur „Abso­lutdatierung" ausgewählter Fundtypen verwendet wurden, verging nach der frühen Grundlegung des Ferenc Pulszky mehr als ein Jahrhundert, bis man sich mit der Münzdatierung auch aus methodischer Sicht auseinandersetzte. Den ersten Schritt in diese Richtung machte der österreichische Awarenfor­scher Falko Daim, der in den frühen 1980er Jahren an der Belegungschronologie des Gräberfeldes von Sommerein arbeitete. Seine Gedanken über die Möglichkeiten und Grenzen der Münzdatierung fasste er in der im Jahre 1984 erschienenen Gräber­feldpublikation zusammen. Daim unterstrich die Wichtigkeit der Münzdatierung zur Erarbeitung der Absolutchronologie, wozu jedoch die erste und grundlegende Voraussetzung wäre, die Prägezei­ten der Grabfundmünzen genau zu bestimmen (DAIM-LIPPERT 1984, 83-86). Der Numismatiker István Gedai und der Friih­mittelalterforscher Csanád Bálint machten zur glei­chen Zeit darauf aufmerksam, dass die Umlaufzeit einer Münze, d.h. die Zeit, die von ihrer Prägung bis zu ihrer eventuellen Deponierung verging, un­terschiedlich sein kann und in der Regel auch un­bekannt ist. Die weit verbreitete Praxis, die Anle­gungszeit durch eine pauschale Verlängerung der Prägezeit zu „errechnen", ist daher grundsätzlich falsch (das zweite „Grundübel"). Stattdessen ist jede Grabfundmünze eigens zu untersuchen und zu beurteilen. Dabei hat man nicht nur darauf zu achten, ob die Münzen prägefrisch oder abgegrif­fen, evtl. in sekundärer Verwendung als Schmuck, Obolus oder Amulett mit ins Grab gelegt wurden, sondern auch darauf, ob ihr Umlauf bzw. Zustrom 81 Die Listen 1-11 und die Verbreitungskarten 1-4 in KISS 1996. 82 Der Verlauf und Inhalt dieses Disputs lässt sich in der Literatur gut verfolgen: SOMOGYI 1994, 90-96; KISS 1996, 221. Anm. 2. 226-229, Awn. 10-11. 12, 230. Anm. 15; SOMOGYI 1997, 112-117; KISS 1999, 59; PROHÁSZKA 2004. 108; SOMOGYI 2009a, 247, Anm. 10. 258. 214

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