A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve: Studia Archaeologica 5. (Szeged, 1999)

NAGY Margit: Ornamenta avarica II. A fonatornamentika

chronologischen noch einen künstlerischen Unterschied zwischen den Tierfiguren und Geflechten. Es ist also ein Irr­tum, die Geflechte für degenerierte Tierfiguren zu halten und zugleich später zu datieren. Der Tierornamentik wurden die Verzierungen zugeord­net, die entweder ganze Tierfiguren oder mindestens Tier­köpfe darstellen. Die kompletten Tierdarstellungen oder die tiergestaltigen Kompositionen wurden in den transdanubi­schen Werkstätten erzeugt. Die Zähnung und die halbkreis­förmige Linienverzierung dienten ursprünglich wirklich zur Bezeichnung der Tierkörper, sie können auf die querge­streifte Tierkörperverzierung des I. Stils zurückgeführt wer­den. Die reinen Bandflechtkompositionen, wenn sie nur mit Zähnung versehen wurden, können für keine Tierdarstellun­gen gehalten werden (NAGY 1988; NAGY 1992). Günther Hasel off faßte in seiner letzten, 1990 erschiene­nen Arbeit seine Ansichten über die Tierornamentik germa­nischen und östlichen Ursprungs im Donau-Gebiet zusam­men. Zur Vermittlung des I. Stils vom Norden trugen die Gépiden des Theiß-Gebietes bei, die zu, auf diese Weise verzierten Gegenständen aus Mittelschweden kamen. Die Flechtbandornamentik des II. Stils konnte nach den goti­schen Kriegen, zur Zeit der oströmischen Oberherrschaft Italiens sowohl zu den pannonischen Langobarden als auch in fränkisch-alemannisches Gebiet nördlich der Alpen ge­langen. Die gezähnte Ornamentik des II. Stils tauchte in awarischem Gebiet nach Haseloff in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts auf. Auch nach der Meinung von Haseloff erinnert die Zäh­nung an die gekerbte Verzierung des I. Stils; zur Entfaltung der Zähnung konnte ein Übergang führen, dessen Repräsen­tanten auf einer alemannischen Schnalle aus Süddeutsch­land (Wurmlingen) und auf einem italischen Goldblech­kreuz (Offanengo) auf den Tierkörpern und -fußen zu sehen ist (HASELOFF 1990). István Bóna kehrte 1993 in seiner in Szeged erschiene­nen „Thesensammlung" Hunnen - Gépiden - Langobarden auf die Fragen der Tierornamentik erneut zurück. Er stellte fest, daß nur die Zierden des I. Stils bei den pannonischen Langobarden vorkamen (BONA 1993, 138-139). Dieser Stil ist teils vom nördlichen, teils vom kontinentalen Ursprung, und er wurde von den, nach Pannonién ziehenden Trägern der zweiten langobardischen Welle nach 530 mitgebracht. In Pannonién treten eine einfache (Steinbrunn/Büdöskút) und eine komplizierte (Várpalota 19, Kápolnásnyék Grab 1) Va­riante der Bandflechte (Veszkény) auf (BÓNA 1993,149-151). Laut der erwähnten Zusammenfassung von István Bóna ist die Problematik der Verbreitung des avvarenzeitlichen II. Stils in der awarischen Ornamentik noch ungelöst. Die Zäh­nung spricht für die Selbständigkeit der awarischen Varian­te, die er nach Fettich für ein Element asiatischen Ursprungs hält. Die Denkmäler des awarischen II. Stils können zwei Gruppen zugeordnet werden: 1. vollwertige Kompositionen im II. Stil; 2. Bandkompositionen, bei denen die Tierdarstel­lung kaum mehr erkennbar ist. Ein chronologischer Unter­schied besteht darin, daß die erste Gruppe hauptsächlich in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts vorkommt, während die zweite Gruppe auch in der zweiten Hälfte des 7. Jahr­hunderts weiterlebt (BONA 1993, 150-153). Die Tierstilornamentik wurde von I. Bona in zwei Grup­pen geteilt: 1. klassische Motive des II. Stils mit Schnabel­köpfen und kralligen Füßen (Goldgegenstände der Janko­vich-Sammlung, Zamárdi. Káptalantóti), 2. reine Bandkompositionen, auf deren Details die Tierfiguren nicht mehr erkennbar sind (Várpalota, Madaras, Fonlak. Halimba. Mártély, Gátér, Baráthely, Környe. Káptalantóti, Zamárdi). Die Zeitstellung der einzelnen Gruppen ist: Die erste Grup­pe ist für die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts charakteri­stisch, während die zweite Gruppe mit der ersten zum Teil gleichzeitig ist, und bis zur zweiten Hälfte des 7. Jahrhun­derts weiterlebt. „Der im Awarischen Reich nach 670/680 auftretende neue Bandflechtstil östlichen Ursprungs hat we­der mit dem germanischen noch dem awarischen II. Stil und auch noch mit der mediterranen Kunst zu tun." (BONA 1993, 152-153). Max Martin fügte den Fragen der awarenzeitlichen Tierornamentik wertvolle Bemerkungen hinzu. An meinem Referat an der Konferenz von Spoleto 1987 machte er Aus­stellungen, daß ich nämlich erstens die meisten mit Tieror­namentik versehenen Gegenstände als örtliche awarische Erzeugnisse behandelte und zweitens ich die Gesichtpunkte der Tracht außer Acht ließ, obwohl man eben daraus auf das Ethnikum der Auftraggeber, Hersteller und Träger der Ge­genstände schließen könnte. In meiner Studie wollte ich nur den Ursprung der im awarischen Gebiet angewandten Tier­stilornamentik auslegen, ihre Gruppen bestimmen und die Verzierung mancher wichtiger Gegenstände interpretieren. Die von Martin aufgeworfenen Gesichtspunkte betrachte ich selbst als Objekte weiterer Forschungen. Nach Martin sind die mit gezähnter Tierornamentik und Geflechtmustern versehenen Gegenstände - u. a. die Haar­nadeln. Wadenbindengarnituren, Schuh- und Strumpfband­besätze, Ringe — ausschließlich für die germanische Tracht kennzeichnend. Die Meinung von Nándor Fettich zitierend (FETTICH 1965, 108) betrachtete er die mit Tierornamentik und Geflechtmustern versehenen Trachtgegenstände für Be­weise der Anwesenheit der Germanen, näher der in Trans­danubien übersiedelten Gépiden. Meiner Meinung nach sind die Trachtgegenstände bezüglich der ethnisch sicher nicht homogenen awarenzeitlichen Gräberfelder gegenwärtig nur beschränkt geeignet, ethnische Schlüsse zu ziehen. Erstens darum, weil die Trachtweise — wegen der Unpubliziertheit von bedeutenden transdanubischen Gräberfeldern — noch nicht geklärt ist. Aus Mangel an Ausgrabungsbeobachtun­gen stehen die auf die ethnischen Bestimmungen gerichteten Untersuchungen noch aus. Zweitens darum, weil man — besonders was die Frauentracht betrifft — mit der Übernah­me und Nachahmung der zeitgenössischen „modischen" Gegenstände auch von nicht-germanischen Frauen rechnen muß. Unterschiede können nur bei der Ausführung, z. B. Verzierung von Metallgegenständen beobachtet werden. Ein von den germanischen Verzierungsweisen abweichender, aber ursprünglich sicherlich darauf zurückzuführender Un­terschied ist auch die „Zähnung" genannte Goldschmiede­technik. Auch bei der Männertracht gibt es Beispiele dafür, daß ein typisch awarischer Gegenstandstyp, z. B. die Haar­spange, mit gezähnter Sechsbandflechte verziert wurde (z. B. Budapest, XIV, Népstadion, Grab 31) (NAGY 1998a, 379, Abb. 3 20). Die chronologischen Folgerungen von Martin sind be­gründet: Die im Horreum von Keszthely-Fenékpuszta im Grab 17 vorgekommene Pferdeflbel mediterranen Typs kann für den ältesten Gegenstand mit gezähnter Verzierung gehalten werden. Aufgrund dieses Grabkomplexes könnte

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