A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1964-65. 2. (Szeged, 1966)
Dienes, István: Über neuere Ergebnisse und Aufgaben unserer archäologischen Erforschung der Landnahmezeit
Chasaren besitzen wir keine Daten. Das Zeugnis unserer Sprache ermahnt uns aber, dass wir mit den Anfängen der Schichtung der Gesellschaft schon in sehr fernen Zeiten rechnen können. Mit der ältesten Schicht unserer türkischen Lehnwörter, mit dem grundlegenden Wortschatz der Viehzucht ist in unserer Sprache auch das Wortpaar ín:bő aufgekommen, dessen Entlehnung uns darauf hinweist, dass die Ungarn die mit diesen bezeichneten Unterschiede schon gekannt haben müssen (in ,Sklave', erhalten in ínség 'Elend'; bő 'Sippenoberhaupt': bőség 'Uberfluss'). Die kräftigere Auflösung der verwandtschaftlichen Verbände fängt also dann an, als die Viehzucht in der Produktionsweise der Ungarn — in der Nachbarschaft türkischer Völker — vorherrschend wird. Der Ausgangspunkt einer weiteren Entwicklung wird — in einer späteren Periode — die Ausbreitung des Ackerbaues. Damals hat sich das Militärgefolge der Mächtigen, diese berufmässig aus der Handhabung der Waffen lebende Schicht, die das Gleichgewicht der stark geschichteten Gesellschaft aufrechterhalten hat, zwischen die mit ständiger Produktionsarbeit beschäftigten Knechte und zwischen die deren Produktionsüberfluss ausbeutenden, auch weiter noch der Beute nachgehenden bös eingekeilt. Es ist gewiss, dass auch das Ungartum unter der Oberhoheit der Chasaren, unter der Einwirkung der im Chaganat vor sich gehenden Entwicklung und seiner Einrichtungen auf ein höheres Niveau der feudalen Entwicklung gelangte und aus diesem herausgerissen, sich zu einem selbständigen Staatswesen organisierte (vgl. über das Angeführte die Ausführungen von Györffy, Bartha). Auch in unseren schriftlichen Quellen finden wir auf diese Entwicklung bezüglich Daten, obgleich diese nicht vollkommen übereinstimmend sind. Die unter allen Quellen am meisten zuverlässig gehaltenen arabischen Quellen orientieren uns über das dem der Chasaren ähnlichen Doppelfürstentum (kende, gyula), unserer Vorfahren in Etelköz und sie schreiben auch über ihre Ackerfelder, was bezeugt, dass die Ungarn nicht ausschliesslich Viehzüchter waren. Der byzantinische Kaiser, Leo der Weise charakterisiert das von ihm unter dem Namen türk bekannte Ungartum als ein unter einem Oberhaupt in starker Organisation lebendes Volk und hebt hervor, dass nur die Bulgaren und die Ungarn unter den Steppevölkern eine grosse Sorge auf ihr Militärwesen anwenden. Die Glaubwürdigkeit seines Berichtes scheint der Umstand zweifelhaft zu machen, dass er mit kleineren Änderungen die Beschreibung der Türken in der um die Wende des VI — VII. Jahrhunderts verfertigten Taktik desMaurikios auf das Ungartum anwendet. Das mag er aber bewusst getan haben, da er ja das mit den Byzantinern verbündete Volk aus den Meldungen seiner Gesandten und Feldherren gut gekannt hat. Die Identifizierung kann keinen anderen Grund besessen haben, als dass die Charak terisierung auf die Gesellschaft der Ungarn gepasst hat und der Kaiser der Meinung war : auch Maurikios habe von seinen Türken gesprochen (Darkó, Moravcsik) . Dass dieUngarn eine ähnliche Organisation besessen haben dürften wie die Chasaren, lässt uns auch der Umstand ahnen, dass die schon in ihrer neuen Heimat lebenden Ungarn von einem byzantinischen Chronisten (Nikolaos Mystikos) als „westliche Türken" den als „östliche Türken" bezeichneten Chasaren gegenüber genannt werden (Gyóni). Auf die mit der der Türk-Chasaren verwandte Kultur weisen — auch über die Quellenangaben hinaus — mehrere Anzeichen aus der Vergangenheit (unsere Kerbschrift türkischen Ursprungs; die erschliessbaren Züge alttürkischen Charakters in unserer Urdichtung; unsere auf iranische Urmuster, die auch in der türkischen Kultur Wurzel gefasst haben, zurückgehende Kunst; unser alter Monotheismus usw.), was alles gleichfalls ein gutes Zeugnis dafür ist, dass die sozialen Voraussetzungen dafür, dass das alles heimisch werden konnte, vorhanden waren. — Über eine über den Stammesverband hinausgehende Zentralgewalt finden wir auch bei dem Anonymus dunkle Hinweise, als er nämlich von den — auch von den Chasaren anerkannten — Landesrich91