A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1964-65. 2. (Szeged, 1966)
Dienes, István: Über neuere Ergebnisse und Aufgaben unserer archäologischen Erforschung der Landnahmezeit
von der Zeit der Landnahme in der Zeit vorwärtsschreitend weiter zu verfolgen. Aus der obigen Verteilung der Beerdigungen und aus den Beziehungen der einzelnen Gruppen ist es deutlich zu erkennen, dass die Voraussetzungen der Klassenverhältnisse der Stephanszeit, der abweichenden Stellung verschiedenartiger gesellschaftlicher Elemente schon im X. Jahrhundert vorhanden waren (vgl. Ges. I, §. 15, 21, 27, 35 von Stephan I.); beim Erscheinen des Ungartums im Karpatenbecken war es schon in voneinander gut abgesonderte Schichten gegliedert. Diese Schichten lebten aufeinander gegenseitig angewiesen in engerer und loserer Abhängigkeit nebeneinander; und es ist die Schichtung über einander der in der niedrigsten Reihe befindlichen Hausknechte, der in ihrer eigenen Organisation verbliebenen auch über etwas Vermögen verfügenden Dienstleute, der auf kleinere und grössere Dienstleistungen verpflichteten und offenbar in verschiedenartigen Vermögensverhältnissen lebenden Gemeinen zu beobachten, dann folgen als weitere Überschichten das Sippenoberhaupt und endlich die Familien des Stammesoberhauptes und des Fürsten. Das innere Gleichgewicht der Gesellschaft wurde — wie bei den Türken, Bulgaren, Mongolen, Rumänen usw. — durch die um die Personen mit hervorragender Macht organisierten Bewaffneten, also durch ihr militärisches Gefolge, die bei uns mit dem auf das Vasallenverhältnis weisenden Ausdruck als Lehensleute (jobbágy) bezeichnet wurden (Györffy) , gesichert. (Diese Schicht wird bei den landnehmenden Ungarn angesetzt von: Tagányi, Váczy, Molnár, Györffy usw.). Die Nachkommen dieser Lehensleute, die miles in dem Gesetzbuch Stephans L, gehörten zum Gefolge des Königs, der Gespane oder irgendeines Magnaten oder eines kirchlichen Würdenträgers (Gesetzbuch Stephan I, 7, 23, 25), und ihre Herren konnten öfter auch gegen Mitglieder dieser wohlhabenderen, vornehmeren Schicht gewalttätig vorgehen (Stephans Gesetzbuch II, 10). In gesteigerterem Masse mag sich das auf die Gemeinen, die mit den Armen gleich beurteilt und mit ihnen identifiziert wurden (Stephans Gesetzbuch I, 21, 27), bezogen haben, wie es auch in den Gesetzen erwähnt wird, dass sie von den ,, comes" und den „miles" in Knechtschaft getrieben werden (I.Gesetzbuch Stephans 22).Das mag eher die Forderung nach Erfüllung von schwereren Verpflichtungen, unbillige, verletzende Behandlungsweise decken, als den Anfang ihrer Unterwerfung bedeuten; auf Grund hauptsächlich der archäologischen Daten scheint es ja unzweifelhaft zu sein, dass die Elemente des gemeinen Volkes schon im X. Jahrhundert und sogar offenbar auch schon vor der Landnahme mit unzähligen Banden an die Mächtigen, die Wohlhabenden gekettet waren, ihre nominelle Freiheit konnten sie auch früher schon mit Steuern und Dienstleistungen erkaufen. Von irgendeiner Form der Abhängigkeit konnten auch jene Sippenmitglieder nicht frei sein, die sich für freie Leute hielten ; wie schon von Ferenc Salamon vermutet wurde, wird ein ganzes Heer ,,von rechtlich freien, jedoch durch bestimmte Verpflichtungen in den Dienst von Wohlhabenderen gedrängten Leuten" im Kreise der landnahmenden Ungarn gelebt haben. Die frühfeudalen Verhältnisse kamen in einer solchen Gesellschaft zum Vorshein, in welcher die Formen der älteren Organisation noch bewahrt blieben, und das vollständige Aufgeben des Rahmens der früheren familiärsippenhaften Verhältnisse wird auch nicht im Interess der Mächtigen gewesen sein, auf diese Weise konnten sie ja am einfachsten den Aufruhr jener Schichten vermeiden, die ihre wirkliche Unabhängigkeit verloren hatten. Diese patriarchalische Schale kann jedoch vor uns das Wesen dieser Gesellschaft, ihren frühfeudalen Charakter nicht verdecken, und wir müssen erkennen, dass sich die Sippe des X. Jahrhunderts in dem Zustand einer kräftigen Auflösung befand, sie vereinigte in sich Leute von verschiedener Herkunft und verschiedenartigen Zuständen, sie kann in der Wirklichkeit für eine territoriale Organisation angesehen werden. 101