A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1964-65. 2. (Szeged, 1966)

Dienes, István: Über neuere Ergebnisse und Aufgaben unserer archäologischen Erforschung der Landnahmezeit

Die Durchschichtung der ungarischen Gesellschaft lässt sich keineswegs mit. der Eroberung der neuen Heimat, oder mit einer erst nach dieser eingetretenen Wen­dung, mit dem Sturz der Beutezüge erklären; das Kettenwerk der Abhängigkeiten der Stephanszeit ist schon bei den landnehmenden Ungarn zu erkennen. Zur Staats­gründung Gézas bzw. Stephans, als zur Schaffung einer festeren Organisation der Obergewalt mag das Ungartum nur zum Abschluss eines längeren Vorganges, einer progressiven Entwicklung gelangt sein, unsere staatliche und kirchliche Organisation wurde vor allem der Gegebenheiten der ungarischen Gesellschaft entsprechend ausgebaut. Mit der um die Wende des X. und XL Jahrhunderts vor sich gegangenen Staats­organisation wird jene Schicht des alten Geschlechtsadels, die sich in die neue Ord­nung dareingefunden hatte — neben dem damals entstandenen neuen Adel (Kleriker, Ritter, Gespane) — Mitglied der herrschenden Klasse, und parallel hiermit gibt sie ihre alten heidnischen Friedhöfe auf, wie ja für sie die Annahme des Christentums die Bedingung zur Sicherung ihrer Vorrechte war. Zu gleicher Zeit sind auch so viel Änderungen in der Lebensweise, in der materiellen und sozialen Lage der vulgares und der servi archäologisch nicht zu beobachten; da sie an Ort und Stelle verblieben, benützten sie auch nach der Staatsgründung laufend weiter ihre alten Friedhöfe. Es ist zwar sicher, dass ein nicht geringer Teil von ihnen — auf den von ihrer Sipp­schaft konfiszierten Gebieten 7 — unter eine neue Oberhoheit geraten ist: sie wurden zu Dienstleuten in den königlichen Burggespanschaften, und den königlichen Privat­gütern und auf den kirchlichen und weltlichen Donationsgütern. In das Eigentum ihrer neuen Herren sind sie mit dem diesen geschenkten Gebiet gekommen, wo sie nach Zeugnis unserer Friedhöfe schon im X. Jahrhundert lebten und an welches sie durch ihre Lebensweise, durch die ausgebildete wirtschaftliche Ordnung und durch das Gewohnheitsrecht gebunden waren. Die gut organisierten Wirtschaften der Stammes-und Sippenoberhäupter (s. z. B. die Charakterisierung des geordneten Gutes des grossmächtigen Ajtony in der grösseren Gerhardtslegende) konnten an vielen Stellen vermutlich ohne Änderungen zur Grundlage der Güter in der Stephans­periode werden, nur ihre oberste Leitung kam in neue Hände. Die Hunderter-und Zehner-Organisation (centurionatus, decurionatus ; auf kirchlichen Besitzungen die Meierleute, die Hunderter) der auf den Gutskörpern lebenden Leute mag un­zweifelhaft eine alte Tradition bewahrt haben. Im Leben des grössten Teiles der Gemeinen mag die neue Gutsordnung eine grosse Erschütterung keineswegs verur­sacht haben. Die Mehrheit empörte sich nicht gegen ihr Schicksal, sie verblieb an Ort und Stelle, da sie ja auch früher im grossen und ganzen unter ähnlichen Ver­hältnissen lebte. In den Quellen der Arpadenzeit (Stiftungsurkunden, Gesetzen) vernehmen wir zwar einiges über herumschweifende Leute, die ihren Herren durch­7 Die Verbreitung der zweischneidigen Schwerter in grösseren Mengen hängt offenbar mit der Staatsorganisation, der Konfiszierung der Besitztümer der Stammes- und der Sippenober­häupter, mit den neuen Ansiedlungen zusammen (László). Es mag eine charakteristische Waffe der an die Stelle der Stammes- und Sippenoberhäupter getretenen königlichen Herzöge, Gespane, desgleichen der Mitglieder jenes Kriegergefolges, die den Würdenträgern der sich ausbauenden kirchlichen Organisation zugeordnet worden waren, gewesen sein. Eine kleine Zeit lang, im Anfangs­stadium der Staatsorganisation wurde ein Teil sogar dieser vornehmeren Kriegerelemente noch auf heidnische Weise begraben (s. die mit doppelschneidigen Schwerten ausgestatteten vereinzelten und paarigen Gräber). Die zweischneidigen Schwerter tauchen auch in den Friedhöfen des lokalen gemeinen Volkes auf, die mit Kriegsdienst schuldigen, in den Dienst der neuen Macht gestellten Gemeinen werden mit den neuen Waffen gleichfalls versorgt. (Die zweischneidigen Schwerter wur­den neuerdings von K. Bakay gesammelt und bearbeitet, aber seine Arbeit ist noch nicht erschie­nen, seine Ergebnisse sind uns nicht bekannt). 102

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