Kunt Ernő szerk.: Kép-hagyomány – Nép-hagyomány (Miskolc, 1990)

I. RÉSZTANULMÁNYOK - Ingeborg Weber-Kellermann: A vidékiek kultúrájáról és múzeumi ábrázolásukról

wurden durch Erhitzen brüchig gemacht, nochmals gespült und getrocknet, ehe die Hauptarbeit begann: das „Brechen". Das war schwer, denn immer wieder mußten die Stränge durch die Breche gezogen werden, bis die Verholzungen abfielen und ein Zopi von Fasern entstand. Für diese harte Arbeit wurden übrigens früh kleine handgetrie­bene Maschinen ersonnen. Aber damit waren die Reinigungsarbeiten für das spätere Spinnen noch nicht zu Ende. Es folgte das „Schwingen" des Flachses und danach das „Hecheln", meist an einem Hechelstuhl, um den die Frauen saßen und nicht nur den Flachs, sondern das ganze Dorf „durchhechelten"! Dann wurden die Fasern in Bündeln und Schöpfen zum Spinnen aufgehoben. - Wenn in den Museen all diese Geräte aufge­stellt und in ihrer Funktion erklärt werden, ist schon viel getan. Aber selbst diese positivistische Darstellung eines so wichtigen agrarischen Arbeitsprozesses ist nicht immer zu finden, geschweige denn eine weitergehende Vermittlung von „Geist" und Hintergründen dieser Sachkultur. Die nächste Frage müßte lauten: was bedeuteten diese Geräte innerhalb des Flachsbereitungsprozesses für die arbeitende Gruppe? Auf einem anschaulichen Lehrbild von Daniel Chodowiecki aus der Zeit um 1800 sind die einzelnen Arbeitsphasen dargestellt, und die vergrößerte Wiedergabe eines solchen Bildes könnte dem Museumsbesucher das Verständnis der Geräte erleichtern. Doch sollte er über den Arbeitsvorgang hinaus auch etwas über die Stimmung auf dem Flachsfeld erfahren. Die Ähnlichkeit zwischen Ernte und Flachsarbeit begann bei der schweren Arbeit des Raufens, die gekonnt und verstanden sein wollte. So wurde auch hier von der eingearbeiteten Gruppe wie beim Getreideschnitt ein fremder Besucher des Feldes oder der Hofwirt mit einem Flachsseil „geschnürt", wovon er sich mit einem Trinkgeld auslösen mußte. Zum gleichen Zwecke wurden ihm die Schuhe „abgestaubt" (und der Begriff „abstauben" für Geld erbitten kommt her von solchen Rechtsansprü­chen auf dem Bauplatz, dem Erntefeld, dem Flachsfeld 7 ). Aus dem zuletzt gerauften Flachs flochten die Frauen einen dicken Zopf und verehrten ihn spöttisch dem Bauern oder Grundbesitzer, der daraufhin etwas spendieren mußte. Am Schluß des Raufens hatten die Arbeiterinnen ganz allgemein das Anrecht auf eine festliche Mahlzeit. Neben solchen üblichen Arbeitsbräuchen vollzogen die Flachsfrauen aber eine Reihe von Handlungen, die das spezifische dieser weiblichen Gruppe in Form von Signalen kenn­zeichnete. Auf dem Flachsfeld wurde weibliche Solidarität gefordert! Die Flachsernte war reine Frauensache, und daraus bezogen die Arbeitenden ihre Vorrechte. Darstellungen der Genremalerei geben zuweilen solche Situationen wieder und können in dieser Richtung interpretiert werden. Wenn eine andere Frau am Flachsfeld vorbeiging, dann wurde ihr zugerufen, sie müsse mitarbeiten, d. h. ihre 3 „Himpel" (= Handvoll) reffen, damit sie bei der Kirchweih tanzen darf! - Jedes Frauenzimmer, das vorüberging, wurde angerufen, um eine Handvoll Flachs auszurupfen. Wer sich weigerte, würde die Krätze kriegen! Dem letzten Besucher des Flachsfeldes wurde eine Schürze vorgebunden, um auf diese Weise ein Trinkgeld zu erhalten. Es bestand eine Fülle derartiger Vorschriften, die die Ausnahmestellung der Frauen auf dem Flachsfeld ausdrückten, ihre angemaßten und auch bewilligten Rechte für diese Situation: Den Vorübergehenden wurden Schimpfnamen nachgerufen, und mancher reiche Bauer mußte sich Dinge anhören, die ihm sonst niemand ins Gesicht zu sagen gewagt hätte. Die mit dem Einernten des Flachses beschäftigten Frauen und Mädchen mußten von den Vorübergehenden so begrüßt werden: „Gott grüß Euch, Ihr Jungfrauen und Ihr Weiber, Euer Flachs soll werden wie Samt und Seide!" Die Mädchen, die den Flachs an einem Tag brachen, hießen „die Herren"; sie nahmen den Vorübergehenden die Mützen vom Kopf, die diese für ein Trinkgeld zurückkaufen mußten. Männer, die am Flachsfeld vorbeigingen, mußten den Hut ziehen, sonst wurden sie von den Arbeiterin­nen dazu gezwungen. So entstand auf dem Flachsfeld eine Art von geschlechtssymboli­scher Gegenwelt zum Alltagsablauf. 20 305

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