Viga Gyula: Hármas határon (Officina Musei 4. Miskolc, 1996)
(Auszug)
Die unterschiedlichen Landschaften und die dort über Generationen hinweg ansässigen Volksgruppen sind in ihrer Lebensweise, in der Gliederung ihrer Kultur, in ihrem System innerer wie auch äußerer Beziehungen durch individuelle Zügen geprägt. All diese Verquickungen laufen jedoch nach mehr oder weniger ähnlichen historischen und ethnologischen Gesetzmäßigkeiten ab. Durch die variablen und konstanten Voraussetzungen für die Ausschöpfung der Umwelt sowie durch die veränderbaren und die unveränderbaren Rahmenbedingungen für die Lebensweise haben sich die differenzierten Zusammenhänge dieses Beziehungssystems herausgebildet. Natürlich ist dieses System nicht frei von Elementen, die außerhalb der Kultur stehen. So wurde es durch das internationale politische Geschehen während des 20. Jahrhunderts zwar grundlegend beeinflußt, aber nicht in organischer Weise dadurch gestaltet. In der vorliegenden Studie wird der Wandel innerhalb der geographischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dieses Beziehungssystems untersucht und es wird festgestellt, daß auch derart große landschaftliche Umgestaltungen wie die Wasserlaufregulierung von Bodrogköz in Betracht gezogen, die räumlichen Ausdehnungen der wirtschaftlichen Beziehungen bis hin zum Beschluß von Trianon durch ähnliche Voraussetzungen bestimmt waren. In dieser Beziehung nahm Bodrog-köz stets eine relativ marginale Position ein, hielt aber den unmittelbaren Kontakt zum nordöstlichen Raum des historischen Ungarn (zu den Komitaten Felső-Zemplén, Ung und Bereg) aufrecht und bildete mit der Gesamtheit der geographischen Landschaft eine unmittelbare intakte Einheit. Zentrum dieses Systems war natürlich in erster Linie Sátoraljaújhely. Daneben nahm Transkarpatien, besonders die Stadt Ungvár, eine zentrale Rolle ein. Die landschaftlich-geographischen Vorausbedingungen und die sich diesen anpassenden Produktionssysteme waren determinierend innerhalb der Beziehungen, und die Gegend fügte sich als organischer Teil in die wirtschaftliche Ordnung dieses Raumes ein. Alles in allem wurde diesem innerhalb der räumlichen Beziehungen aber nur eine sekundäre Bedeutung zugesichert. Durch den Beschluß von Trianon erfuhren die räumlichen Beziehungen eine Umgestaltung: Felső-Bodrogköz wurde vom organischen Ganzen abgespalten. Die Rolle der Stadt Sátoraljaújhely sowie des am Laufe des Bodrog gelegenen wichtigen Marktfleckens Zemplén änderte sich. Während erstere vollends an Bedeutung verlor, nahm die des Marktfleckens zusehends ab und ging an das nunmehr zentraler gelegene Királyhelmec über. Noch stärker wurden diese Veränderungen durch die Grenzbegleichungen im Anschluß an den zweiten Weltkrieg spürbar, als nähmlich das bis dahin noch eine wirtschaftlich zentrale Stellung einnehmende Ungvár nach Westen hin abgeschnitten wurde, und damit das Gebiet von Felső-Bodrogköz wirtschaftlich gesehen im wesentlichen eingeschlossen war. Die Auswirkung dieser Maßnahmen ist bis auf den heutigen Tag spürbar, denn auf diese Weise wurde die Landschaft Bodrogköz sowohl in Bezug auf die Wirtschaft als auch auf die Kultur in eine ziemliche Randposition gedrängt. Die Möglichkeiten der Bevölkerung in diesem Landstrich sowie ihre Lebensstrategie sind selbst im Hinblick auf die Veränderungen an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend stark eingeschränkt. Dies bedeutete in Bezug auf die traditionelle Kultur in erster Linie eine recht langsame Verbürgerlichung und die Bewahrung zahlreicher archaischer Elemente in der volkstümlichen Kultur von Felső-Bodrogköz. Andererseits ergeben sich hier wichtige Aufgaben für die Ethnographen-/Anthropologen-generation von heute.