Müller-Walter Judit: Mehr als Lebensgeschichten. Schicksale (Pécs, 2010)

Tante Rosi Frau Hauck, geborene Rosalie Lauer. Tante Rosi erblickte am 17. Juli 1917 in Rácmecske (heute Erdősmecske) das Licht der Welt. Ihre Tochter Borbála, geboren in 1939, musste sie bei ihren Großeltern lassen. Sie wohnen heute in Pécs und sprechen auch heute noch deutsch. „Solange wir in unserer Heimat lebten, hofften wir immer dass man uns nicht über die Grenze hinwegbringt. Wir wollten nicht glauben, dass man Mütter von ihren Kindern fortreissen könnte. Ja, und dann waren wir in einem fremden Land, und weinten jeden Tag, ich konnte immer nur an die Heimat denken, an meine Tochter und wie es ihr geht. " Am 26. Dezember 1944, am 2. Weihnachtsfeiertag kamen die Russen und brachten uns fort. Ich erinnere mich, dass wir so um den 4. Februar in Dombras ankamen und neben einer Bergmiene aussteigen mussten, dort, wo dann auch die meisten von uns ihren Arbeitsplatz zugewiesen bekamen. Sie brachten uns in einem Gebäude unter, das weder Fenster noch Türen hatte. Wir hatten auch nur die Decken, welche wir von Zuhause mit uns gebracht haben. Das kann man gar nicht beschreiben, wie sehr wir dort im Februar froren. Später wurde es dann besser, wir bekamen Fenster und Türen und sie brachten uns im Mai Betten und Heu. Im zertrümmerten Horlowka sammelten wir Frauen allerlei Ziegel "und Ofentüren. Wir machten daraus einen Sparherd, den wir in eine Ecke stellten und damit heizten. Wir „kochten" auch. Wir schmolzen den Schnee, den Schaum aus Kohlestaub schöpften wir ab wie in der Heimat den Schaum der Fleischbrühe. Manchmal bekamen wir Maismehl, das kochten wir dann in dem Schneewasser. Das war unser „feines Gericht". Ich war Schlepper unten in der Grube, meine russischen Kollegen waren sehr gut zu uns. Wir arbeiteten sehr gut zusammen. In zwei Monaten bekamen wir sogar einen Lohn. Es war nicht viel, aber doch etwas. Dann mussten wir die Kost zahlen, aber es blieb sogar noch etwas übgrig, aber später zogen die Russen die Kosten der Nahrung davon ab, und wir bakamen sehr wenig, weil sehr viele krank waren, und wir deren Unterhalt zahlten. Wir bekamen täglich 1200 Gramm Schwarzbrot, dreimal täglich Kohlsuppe. Aber wir hatten immer Hunger, so gingen wir auch betteln. Wir arbeiteten in drei Schichten, auch die Kranken mussten gehen. Im Juni 1945 wurde ich krank und bekam Gelbsucht. Ich konnte nicht essen, und als ich das Essen nur sah wurde mir schon übel. Das Brot verkaufte ich. Vor der Baracke war ein Markt, dort kaufte ich Kartoffeln, die konnte ich noch irgendwie essen. Ich ging jeden Tag arbeiten, und so ging das bis September. Dann konnte ich nur noch schwer laufen, ich konnte mich nicht mehr anziehen und konnte mich nicht mehr bücken, soviel Wasser hatte mein Körper eingelagert. Mein Arbeitsleiter half mir, er brachte mich zum Arzt und so konnte ich einige Zeit zu Hause bleiben. Tante Rosi im Alter von 91 Jahren. Sie erinnert sich an alle Begebenheiten, als sei es gestern geschehen. „Diese Dinge kann ich nie vergessen" .

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