Müller-Walter Judit: Mehr als Lebensgeschichten. Schicksale (Pécs, 2010)

Am Tag der Heimreise hatte ich nachmittags Schicht, die anderen saßen bereits auf dem Wagen. Wir schrien ihnen sie sollen warten, denn wir wollten noch unsere Kohlsuppe essen. So hungrig waren wir immer. Aber unseren Lohn erhielten wir nicht mehr. Im Gegenteil, sie haben mir sogar auch das noch genommen, was ich mit mir nehmen wollte. Ich hatte auf dem Markt ein Kalutschni, einen Stifelüberzieher, gekauft, aber sie nahmen ihn mir weg, ich brachte ihn nicht mit. Auch auf dem Weg in die Heimat hungerten wir sehr. Wir bekamen kein einziges Mal warmes Essen, nur Brot und ein wenig Fisch. Wir hatten schon Angst, dass wir auf der Heimfahrt verhungern würden. Ich wog zu dieser Zeit 48 Kg. Am 27. Juli 1947 kamen wir an. Es war eine riesige Freude als ich meine Familie wiedersah. Meine Tochter war da bereits sieben Jahre alt. Das Problem war nur, dass wir nichts mehr hatten, wir hatten kein Haus, meine Tochter wohnte bei meinen Eltern und mein Gatte diente bei einer serbischen Familie. Ich ging auch zu meinen Eltern. Aber das blieb nicht lange so. Nur sechs Wochen lang. Am 13. September klopfte man nachts an die Tür." Aufmachen! Polizei!" hieß es. Mein Vater öffnete die Tür, man sagte dann, ich solle meine Sachen packen, denn wir müssten weg nach Deutschland gehen, Mir sagte man, ich sei nicht auf der Liste und dass ich nicht gehen müsse, wenn ich nicht wollte. Der Polizist sagte, er wüsste auch nicht was besser sei, aber er rate mir lieber nicht zu gehen. Wir packten zusammen und eine Stunde später kam ein Wagen, auf welchen meine Eltern und meine Schwägerin mit ihrer Tochter weinend aufstiegen. Mein jüngerer Bruder war nicht zu Hause, er war auch in Russland in Gefangenschaft. Als der Wagen losfuhr, schlössen sie das Tor und ich stand dort alleine mit meiner Tochter. Ich sagte weinend, ach nun bin ich nach Hause gekommen und nun habe doch kein Zuhause mehr. Dann kam mein Schwiegervater und sagte mir, kommt nur zu uns, auch wenn ich im Hof schlafen muss. Sie, die beiden Familien, wohnten auch nur in einem kleinen Haus. Die eine in der Stube, die war auch klein, und die andere in der Küche. Das Leben war auch hier sehr traurig, weder Bett noch Tisch und Stuhl. Ich brachte zwei Koffer, das waren unsere Stühle. Meine Eltern brachten sie an den Bahnhof, aber der Zug fuhr Damit sie ihre eigene Tasse hat, hat ihr ein Spengler aus Mecske eine aus einer Konservendose gemachtt. Die Aufschrift „Zur Erinnerung aus Russland" ist schon kaum zu lesen. Heute werden Knöpfe darin aufbewahrt. Tante Rosi mit ihrer vierjährigen Tochter 1943 in Erdősmecske. Sie wussten noch nicht, was sie erwartet.

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