H. Tóth Elvira - Horváth Attila: Kunbábony (Kecskemét, 1992)

VI. Die Lehren des Fundes von Kunbábony und seiner Parallelen für die awarenzeitliche Forschung

Verhüllen der Hände oder das Tragen von Handschu­hen hin. Auch unter den zum Gebrauch gefertigten Dingen finden sich Gegenstände, die über die Frühawarenzeit hinausweisen. Neben dem bereits abgenützt ins Grab gelangten Dolch (Kat. 63.) mit Rankendekor und der Silberschnalle mit Blechkörper (Kat. 64.) ist da noch das Paar Ohrgehänge (Kat. 23-24.), dessen mit Ker­ben verzierter Ohrring gleichfalls in der Mittelawa­renzeit beliebt war. Eine Parallele zu den Schnitzerei­en des Kugelschmucks der Peitsche (Kat. 22.) fanden wir wiederum nur aus der mittleren Awarenzeit, tier­köpfige Peitschenenden kommen in der spätawari- schen und ungarischen Landnahmezeit vor, für die Adlerkopfdarstellung am Peitschenende aber gab es nur unter den chasarischen Funden ein Beispiel. So unbedeutend der Taschenverschluß aus gedrehtem Draht (Kat. 69.) des Grabes auch erscheint, ist es doch beachtenswert, daß seine Parallelen nur in mittelawa- rischen, die gegossenen Nachahmungen aber in spä- tawarischen Fundkomplexen Vorkommen. Diese Erscheinungen könnte man einerseits so be­werten, daß die der Mittelawarenzeit als charakteri­stisch zugeschriebenen Elemente bereits mit Beginn der zweiten Hälfte des 7. Jh. auftauchen, jedoch nur in solch geringer Zahl, daß ihr Erscheinen keinesfalls mit den im zweiten Drittel des 7. Jh. eingetretenen Veränderungen im Zusammenhang stehen kann. An­dererseits könnten diese parallelen Eigenheiten auch so interpretiert werden - und es ist möglich, daß dies mehr ins Gewicht fällt —, daß das frühawarische Fund­material in der neuanbrechenden Epoche noch eine ganze Zeit weitergelebt hat. Einer der beiden Stand­punkte ist sicher wahr, es kann aber auch angenom­men werden, daß beide zusammen Gültigkeit besit­zen. Die Feststellung, zwischen dem archäologischen Material des Kreises von Tótipuszta und von Bocsa gäbe es nur wenige Verbindungen, ist also sehr rela­tiv. Dazu sind es auf jeden Fall zu wenige, um den neuen Zeitraum ohne das Einfließen zahlreicher neuer Elemente aus der regionalen Entwicklung ableiten zu können. Andereseits ist die Zahl dieser Verbindungen zu bedeutend, um die Veränderungen, die aus dem über ein halbes Jahrhundert bis zu Konsolidierung der chasarischen Expansion andauernden, kontinuierli­chen Einfließen der neuen, langsam das Übergewicht erlangenden Elemente resultieren, an diese einzige, das Herrschaftssystem der vorangehenden awari- schen Epocher mit einem Schlag hinwegfegende Welle von Neuansiedlern979 und den Zeitpunkt ihres Eintreffens anzuknüpfen. Die zwischenzeitlich zum Vorschein gekommenen Funde und einzelne veröffentlichte eingehendere Analysen machen unsere frühere Annahme — die Möglichkeit eines Weiterlebens verschiedener früh- awarischer Fundtypen zur Mittelawarenzeit — immer wahrscheinlicher. Noch nicht belegen läßt sich aller­dings in diesem Maße die gleichzeitige Herausbildung des Greifen-Ranken-Fundmaterials, wie es J. Werner annimmit. Auf der Grundlage eines zweifellos verlockenden Gedankengangs identifizierte er den Fund von Maloje Perescepino mit dem zur Mitte des 7. Jh. bestatteten onogurisch-bulgarischen Khagan Kuvrat.980 Die Annahme von Samu Szádeczky-Kar- doss weiterentwickelnd aber bringt er den Schatz­fund von Vrap und den angeblichen Schatzfund von Érseke mit dem vor dem awarischen Khagan aus Pannonien auf den Balkan flüchtenden Kuber, dem vierten Sohn Kuvrats in Verbindung.981 Das Vergra­ben des Schatzes, der gleichsam die einzigen bekann­ten Goldbeschläge des gegossenen awarischen Me­tallhandwerks mit Greifen und Ranken enthält, da­tiert er aus historischen Erwägungen in die 80er Jahre des 7. Jh. Werner verlangt mit Seiner Theorie nicht nur für das Verschwinden der einheimischen früh- awarischen Funde und die Herausbildung des gegosse­nen Metallhandwerks ein rasendes Tempo, sondern er mußt damit auch die Funde mit Granulationsdekor der Umgebung von Poltawa schnell in ihren Gräbern verschwinden lassen, fast gleichzeitig mit denen der Pontus-Gegend sowie der Fürsten von Kunbäbony und Bocsa.982 Die 647 geprägten und später von den Bulgaren zu einer Kette umgearbeiteten byzantini­schen Münzen des Fundes von Maloje Perescepino aber mußten ebenfalls in raschem Tempo zu Beginn der 650er Jahre im Grabe Kuvrats untergebracht wer­den. All das würde eine sich zu dieser Zeit auf ganz Osteuropa und das Karpatenbecken erstreckende Katastrophe voraussetzen, die historisch gesehen ebenso unbegründet wie nicht nachweisbar ist. Grundlage seiner Identifizierungen bilden Angaben des Patriarchen Theophanes Nichephorus, dem zu­folge „nach dem Tode Kuvrats seine fünf Söhne des­sen Untertanen unter sich aufteilen. Der älteste Sohn (Bat)Bajan wird, an Ort und Stelle verbleibend, zum Steuerzahler der Chasaren. Der nächste Sohn Kotra- gos siedelte sich am rechten Donufer an. Der dritte, Asparuch, flieht vor den chasaren und besetzt zu­nächst, sich den Awaren entgegenstellend, das Mün­dungsgebiet der Donau, um später dann am Südufer des Flusses den bulgarischen Staat zu gründen. Der vierte Sohn Kuvrats wanderte mit seinem Volk nach 979. LÁSZLÓ: 1955, 292-293. 218 980. WERNER: 1984, 43. 981. WERNER: 1986, 66-69. 982. WERNER: 1986, 54, 62.

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