Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

492 Semmelweis’ Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber. Stellen anzuführen, an welchen Carl Braun meine Lehre wiedergiebt, in demselben Aufsätze, der gegen meine Lehre geschrieben. Carl Braun sagt bei der Prophylaxis des Kindbettfiebers1): „Da das Puerperalfieber oder Pyaemie durch Einimpfung von Leichengift erzeugt werden, und durch Uebertragung von septischen Exsudaten, sowie durch das Zusammenwohnen mit Anderen an einer der ver­schiedenen zymotischen Krankheiten, wie Typhus, Cholera, Scharlach, Masern u. s. w. Leidenden verbreitet werden könne, so ist es die strengste Pflicht der Aerzte, auf die Absonderung der gesunden Wöch­nerinnen von zymotisch erkrankten Individuen sowohl in Privat­wohnungen als in Gebärhäusern genau zu sehen, und niemals eine Untersuchung oder eine Operation bei einer Schwängern, Gebärenden, AVöchnerin zu gestatten, wenn kurze Zeit zuvor ein hilfeleistendes Individuum mit Leichentheilen oder septischen Exsudaten zu thun hatte“; und in der Anmerkung wird gesagt: „Es ist daher die löb­lichste Vorsicht eines jeden Kliniker’s, die klinischen Explorationen in den frühesten Morgenstunden vornehmen zu lassen, bevor noch Beschäftigungen am Cadaver vorgenommen werden.“ Und was für Unheil diese so irrebelehrten Schüler Carl Braun’s stiften, davon lieferte Gustav Braun, Carl Braun’s Schüler und Nach­folger der Assistenz, ein warnendes Beispiel. Gustav Braun verlor im Jahre 1854, also im siebenten Jahre nach Einführung der Chlor­waschungen, von 4393 Wöchnerinnen 400 an Kindbettfieber, daher 9,10 % oder 1 von 10893/40O Wöchnerinnen. Eine Sterblichkeit, wie sie die Geschichte des Kindbettfiebers nur noch einmal aufzuweisen hat. Im Jahre 1840 starben an der I. Gebärklinik zu Wien von 2889 Wöchnerinnen 267 = 9,25°/0 oder 1 von 10219267 Wöchnerinnen. Siehe § 223. Um unseren Ausspruch zu bewahrheiten, dass die Ge­schichte des Kindbettfiebers nur noch eine so grosse Sterblichkeit, im Jahre 1840, also sieben Jahre vor Einführung der Chlorwaschungen, kennt, wie selbe im Jahre 1854, also sieben Jahre nach Einführung der Chlorwaschungen vorgekommen ist, wollen wir hier einen Auszug der Geschichte des Kindbettfiebers nach Litzmann veröffentlichen.* 2) Litzmann stellt alle Pseudo-Kindbettfieber-Epidemien zusammen, welche exclusive bis zum Jahre 1842 vorgekommen sind. § 94. So weit die vorliegenden historischen Dokumente ein Ur- theil gestatten, ist das Kindbettfieber erst eine Krankheit der neueren Zeit. Die von Hippocrates mitgetheilten Krankheitsfälle, die man gewöhnlich als solche in Anspruch nimmt, gehören nicht dahin. Es sind nur Beispiele der damals herrschenden biliösen Fieber, die sich bei den Wöchnerinnen nicht anders verhielten als bei Nicht-Wöch­nerinnen und Männern, und von Hippocrates selbst nirgends als be­sondere und eigenthümliche Krankheiten bezeichnet werden. § 95. Dem ersten, wiewohl noch undeutlichen Spuren des Kind- bettfiebers begegnen wir in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts im Hötel-Dieu zu Paris. Peu erzählt, dass in dem gedachten Hospitale die Sterblichkeit unter den Neu-Entbundenen sehr gross gewesen sei, und zwar zu gewissen Zeiten, und in gewissen Jahresabschnitten mehr als in anderen. Besonders verheerend zeigte sich das Jahr 1667. 0 Klinik für Geburtskunde etc. Seite 5—33. 2) Das Kindbettfieber in nosologischer, geschichtlicher und therapeutischer Be­ziehung. Halle 1844.

Next

/
Oldalképek
Tartalom