Győry, Tiberius von dr.: Semmelweis' gesammelte Werke (Jena, 1905)

Semmelweis' Abhandlungen und Werk über das Kindbettfieber

392 Semmelweis’ Abhandlungen nnd Werk über das Kindbettfieber. des Kindbettfiebers 837 Individuen in diesen 6 Jahren gerettet. In dieser Zahl fehlen die Kinder, welche von diesen 837 geretteten Indi­viduen das Puerperalfieber mitgetheilt bekommen hätten. Zur besseren Orientirung theile ich dem Leser mit, dass Carl Braun die Chlorwaschungen längst aufgegeben und dafür seinen Schülern den Rath ertheilt, nicht zu untersuchen, so lange die Hände cada- verösen Geruch verbreiten. 1st das nicht böser Wille, wenn Carl Braun meine Lehre verleumdet, welche ihm in 6 Jahren 837 Mütter gerettet hat? ungerechnet die geretteten Kinder. Freilich hat meine Lehre innerhalb dieser 6 Jahre nicht das geleistet, was sie zu leisten berufen ist. Oder mit andern Worten: in diesen 6 Jahren sind nicht blos Fälle von Kindbettfieber in Folge von Selbstinfection vorge­kommen, sondern es sind, da von 24,692 Wöchnerinnen 613 gestorben sind, 367 Fälle von verhütbarer Infection von aussen vorgekommen, und wenn wir jährlich 10 Infectionsfälle von aussen den ungünstigsten Verhältnissen der I. Gebärklinik zuschreiben, weil ja auch wir im Jahre 1848 zehn Infectionsfälle von aussen nicht verhüten konnten, so bleiben noch immer für 6 Jahre 317 Individuen und die Kinder, welche von diesen 317 Müttern inficirt wurden, welche dem bösen Willen Carl Braun’s dadurch zum Opfer fielen, dass er, gegen seine bessere Ueberzeugung, nicht nur gegen meine Lehre über die Ver­hütung des Kindbettfiebers geschrieben, sondern auch seinen Schülern gegen diese Lehre Vorträge gehalten hat und dadurch seine Schüler zu einem gefährlichen Leichtsinn verleitet hat. Und was werden diese so schlecht belehrten Schüler Carl Braun’s für Unheil stiften in ihrer selbstständigen Thätigkeit. Die Entsetzen erregende Thätigkeit eines seiner. Schüler sind wir in der traurigen Lage constatiren zu können. Gustav Braun, Carl Braun’s Schüler, Bruder und Nachfolger in der Assistenz, hat während seiner vierjährigen Assistenz von 16,197 Wöch­nerinnen 878 an Puerperalfieber, und zwar 161 in Folge von Selbst­infection und 717 in Folge verhütbarer Infection von aussen verloren, und wie gross mag die Zahl der Kinder sein, welche von diesen 717 Müttern inficirt, gleichfalls an Puerperalfieber gestorben sind. Doch hören wir, was Carl Braun, und zwar in der Klinik der Geburtshilfe und Gynaekologie sagt. Nach Carl Braun gibt es 30 Ursachen des Kindbettfiebers; die achtundzwanzigste ist die cadaveröse Infection. Von derselben sagt er Folgendes: „Als die vorzüglichste, ja fast als die einzige Ursache der Puerperalfieber-Epidemien suchte Semmelweis im Jahre 1847 die Theorie der cadaverösen Infection aufzustellen, nach welcher die an den Händen nach Untersuchungen oder Uebungen am Cadaver klebenden Leichentheile oder der nach Waschungen mit Seifenwasser an demselben haften bleibende Geruch, als putride Luft, die Eigenschaft haben sollen durch die innere Ex­ploration der Gebärenden Puerperalprocesse einimpfen zu können. Semmelweis fand hierin in Professor Skoda einen Vertheidiger!!“ Der Leser sieht, wie schlecht Carl Braun die Gelegenheit benützt hat, die ihm geboten war, etwas zu lernen, da er nur eine Quelle des zersetzten Stoffes, nämlich die Leiche, da er nur einen Träger des zersetzten Stoffes, nämlich den untersuchenden Finger, kennt, und wie heilig ihm die Wahrheit ist, geht daraus hervor, dass er in der Literatur nebst der Academie der Medicin in Paris noch zehn Gegner angetroffen, aber nur einen einzigen Vertheidiger. Die einzige Ursache aller Puerperalfieberfälle ist ein zersetzter

Next

/
Oldalképek
Tartalom