Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)
1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien
28 hilflichen Praxis nunmehr keine Todesfälle zu beklagen. Auf Grund dieser zahlreichen Erfahrungen waren die englischen Ärzte zur Überzeugung gekommen, daß das Puerperalfieber durch ein spezifisches Kontagium hervorgerufen werde, welches von Kranken auf Gesunde übertragen werden könne. Storrs stellte folgende Thesen auf: 1. Das Puerperalfieber ist durch Berührung mitteilbar. 2. Es stammt von einem tierischen Gifte, besonders dem Rotlauf, zuweilen vom Typhus. 3. Eine Puerperalkranke kann bei anderen Rotlauf, Typhus erzeugen, bei Männern ein dem Puerperalprozeß ähnliches Fieber. 4. Jede Behandlung ist erfolglos. Und was sagte Kiwisch als Referent zu diesen bedeutsamen Beobachtungen und Maßnahmen der britischen Ärzte? Das Referat des Jahres 1842 schloß er ohne jede Bemerkung. Mit Recht schrieb Semmelweis später den Satz nieder: „Wäre sich Kiwisch bewußt gewesen, welch segensreiche Wahrheit in diesen Erfahrungen enthalten ist — hätte er nicht unwillkürlich Freudenäußerungen getan, daß es endlich gelungen, das gebärende Geschlecht von seiner größten Geißel zu befreien?”*) Dem Referat vom Jahre 1843 fügte Kiwisch folgende Bemerkung bei: „Nach des Referenten Ansicht bedürfen die Behauptungen des Verfassers wohl noch einer genaueren Nachweisung und mehrseitiger Berichtigung.” Dem Referat vom Jahre 1844: „Referent erlaubt sich bezüglich dieser Mitteilungen von El kington keine Bemerkungen, da ihm nicht bekannt ist, inwieweit sie vollkommen verläßlich sind.” Erst im Anschluß an das Referat für das Jahr 1845 sah er sich bemüssigt, zu den immer wiederkehrenden Beobachtungen der Engländer Stellung zu nehmen: „Referent. Es muß jedenfalls auffallen, daß derartige Beobachtungen, die von englischen Ärzten so häufig mitgeteilt werden, auf dem Kontinente im Verhältnis sehr selten und von einzelnen sehr erfahrenen Ärzten gar nicht gemacht werden. So muß Referent anführen, daß es ihm, ungeachtet er seit mehreren Jahren dieser Untersuchung viel Sorgfalt zugewendet hat, bei gebotener reichlicher Gelegenheit nie möglich wurde, Erfahrungen, die für jene Behauptungen nur halbwegs entscheidend gewesen wären, zu sammeln. So häufig derselbe nach vorgenommenen Sektionen von an septischen Puerperalfieber Verstorbenen sich ohne angewandte besondere Vorsicht zu Entbindungen und zu Wöchnerinnen begeben mußte, so konnte er doch in keinem einzigen Falle wahrnehmen, daß dies für die Wöchnerinnen von irgend einem bemerkbaren Nachteile gewesen wäre. Nie konnte er den Ursprung des Puerperalfiebers durch Infektion von einem gangränösen Erysipel entdecken, und ebensowenig in den Gebäranstalten, in welchen er funktionierte, jemals eine Erkrankung einer Nicht*) Ätiologie, p. 430.