Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien

21 Das Erlöschen der so viele Jahre vergeblich bekämpften „Epide­mie” machte in ärztlichen Kreisen Wiens großes Aufsehen. Hebra, Skoda, Rokitansky, Primarius Haller interessierten sich für die Sache und ließen sich von Semmelweis eingehend berichten. Sie „zweifelten keinen Augenblick, daß sich die Ansicht als richtig er­proben werde”.*) Sein eigener Chef freilich hielt das Ganze für — Zu­fall, für ein Werk des günstigeren Genius epidemicus! Angesichts dieses Umstandes, daß Semmelweis bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten kein Verständnis fand, fühlte Skoda sich verpflichtet, den Direktor der medizinisch-chirurgischen Studien, Regierungsrat Dr. Wilhelm Edlen v. Well, auf die Entdeckung aufmerksam zu machen, und erwartete, daß dieser bei der Wichtigkeit des Gegenstandes sofort die Einsetzung einer Untersuchungskommission veranlassen werde. Allein Professor Klein erfuhr offenbar von diesem Schritte Skodas, dessen Eintreten für Semmelweis zugleich eine Demonstration gegen dessen klinischen Vorstand bedeutete, und wußte v. Well zu bestimmen, die Anregung des Professors der internen Medizin nicht weiter zu beachten. Dies war der Anfang einer Fehde zwischen Klein und Skoda, welche in der nächsten Zeit immer erbitterter werden und für Semmelweis die schlimmsten Folgen nach sich ziehen sollte. Professor Klein, sein Gegner, war sein Feind geworden. Auf der Klinik nahm indessen das segensreiche Werk der Des­infektion ungestört seinen Fortgang. Nachdem Chlorina liquida sehr hoch im Preise stand, wurde der ungleich billigere Chlorkalk in An­wendung gezogen und erwies sich als ebenso wirksam. Bald aber mußte Semmelweis die traurige Erfahrung machen, daß seine edle Be­geisterung nicht alle Ärzte und Mediziner der Klinik für die große Sache zu gewinnen vermocht hatte. Es gab einige gewissenlose Igno­ranten, die sich über des Assistenten Steckenpferd lustig machten und, trotzdem sie gleichzeitig in der Anatomie arbeiteten, es mit der vor­geschriebenen Desinfektion nicht gar zu genau nahmen. Im September 1847 stieg die Sterblichkeit plötzlich auf 5-23%. Semmelweis entdeckte die Frevler und sagte ihnen gehörig seine Meinung, wie das seine Art war. Er sprach immer gerade heraus, was er dachte, und nun gar, wenn ihm eine derartige Gewissenlosigkeit begegnete! Sein Zorn, seine Empörung war furchtbar und ließ ihn nicht gerade schonende Worte wählen. Das half wenigstens. Man hatte Respekt bekommen. Im Herbst 1847 belegten die Badenser Doktoren Bronn er und Kuß maul den geburtshilflichen Operationskurs bei Semmelweis. Sie fanden den Kurs „ganz vorzüglich”. Als Semmelweis von ihnen hörte, daß sie beide Assistenten des alten Naegele in Heidelberg gewesen wären, den er so tief verehrte, nahm er sie auf wie Freunde. Er för­derte ihre Studien, soviel er nur konnte, und verschaffte ihnen im Winter 1847 die ersehnte, damals nicht leicht zu erlangende Erlaubnis, im Gebärhause sechs Wochen zu praktizieren. Mochte er die ganze *) Skodas eigene Worte (Vortrag, gehalten in der Akad. der Wissensch. 1849).

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