Inventare Teil 8. Inventar des Kriegsarchivs in Wien (1953)
I. Band - 1. Die Entwicklung des archivalischen Besitzstandes
9 bestand bis 1914 übersiedelte in die im Herbst im Hof der Stiftkaserne fertiggestellten Baracken. Zu der Ordnungsarbeit kam noch eine äußerst rege Inanspruchnahme durch schriftliche Auskünfte und Aktenaushebungen für die literarischen Arbeiten oder für amtliche Zwecke. 1916 erledigte die Schrif- tenabteilung 3400, im ersten Halbjahr 1917 über 2800 Dienststücke. Die Belohnungsgruppe erledigte 1915 bis Mitte 1917 über 5400 Dienststücke und nahm in einem halben Jahr für die „Kommission für die Zuerkennung der Schwerter“ allein rund 60.000 Erhebungen vor. Die Kartenabteilung erhielt nicht nur reichen Zuwachs an Kriegskarten, sondern sammelte auch eine stattliche Reihe von Feldaufnahmen sowie Bilder von Gefallenen. Die der „Kunstgruppe“ des Kriegspressequartiers angehörenden Maler und Zeichner lieferten künstlerische Arbeiten ein. Der Aktenzustrom und damit die zu bewältigenden Aufgaben der Neuen Feldaktengruppe nahmen bis 1918 derartige Formen an, daß sie im Sommer aus der Schriftenabteilung herausgelöst und neben dieser zu einer selbständigen Abteilung ausgebaut werden mußte, die neun Gruppen umfaßte41). Die Schriftenabteilung blieb auf die Alte Akten- und Literarische Gruppe und die Auszeichnungsevidenz beschränkt42). D. Die Zeit der ersten Republik Österreich 1918—1938. Mit dem Zusammenbruch 1918 und der damit verbundenen Auflösung des Feldheeres ohne regelrechte Demobilisierung hörte die geregelte Aktenabfuhr auf. Die an den Fronten stehenden Kommandos des Heeres wie die militärischen Verwaltungsbehörden in den Kriegs-Gebieten hatten keine Möglichkeit mehr, die angesammelten Schriften nach Wien zu bringen43). So ging viel Aktenmaterial der letzten Kriegsmonate, wenn nicht ganzer Jahre zugrunde oder es blieb in den Nachfolgestaaten liegen. Das KA. behalf sich zunächst selbst, indem es auf den Wiener Bahnhöfen von durchreisenden Militärtransporten hinterlassene Aktenkisten einsammelte44). Aufrufe in den Zeitungen forderten Personen auf leitenden Posten (Kommandanten, Generalstabsoffiziere, Intendanten usw.) auf, Berichte über die letzte Kriegszeit einzusenden; diese „Umsturzberichte“ waren als Ersatz für den Ausfall amtlicher Schriften sehr wertvoll. Bald aber erhielt das KA. einen erweiterten Aufgabenkreis, seine Bedeutung als zentrale Heimstätte militärischen Schriftgutes stieg. Der Umsturz entzog den meisten militärischen Einrichtungen des zerfallenen Großstaates die Daseinsberechtigung, deren Akten wurden Archivgut. Das KM. und das LVM. mit allen Unterstellen traten in Liquidation. Noch im Dezember schob das liquidierende KM. die Aktenjahrgänge 1849—1875 ins KA. ab, die Verlustausforschungsgruppe von der Abt 10/VL. des KM. und die Verkehrsgeschichtliche Gruppe der Zentraltransportleitung wurden angegliedert. Das liquidierende AOK. fand im 41) Direktionsbefehl Nr. 19 vom 3. Juni 1918, und M. R. v. Hoen, Chronik des k. u. k. Kriegsarchivs 1914—1918, Ms. des KA., I, Beilage 153. 42) Auch die Schriftenabteilung konnte 1914—18 verschiedene Ergänzungen verzeichnen, so trat das KM. im März 1918 über 1000 Faszikel Dienstbeschreibungen von Offizieren und Beamten (1812—1895) ab. 43) Anerkennung verdient, daß einzelne pflichtbewußte Offiziere, wenn schon nicht die Akten ihres aufgelösten Kommandos, so doch wenigstens die Tagebücher mit ihrem persönlichen Gepäck heimbrachten und in Wien ablieferten. 44) H o e n, a. a. O., II.