Inventare Teil 5. Band 7. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Ungarische Akten, von Josef Karl Mayr

48 Ungarische Akten. Neuabsolutismus der Fünfzigerjahre, den Plan gezeitigt, das Archiv der ungarischen Hofkanzlei zur Gänze dem StA. einzuverleiben. Firnhaber, der Vater dieser Bestrebungen, trug sich ferner mit dem Gedanken, die übrigen ungarischen Zentralarchive, das Regnicolar-, das Kammer- und das Statt­haltereiarchiv, in seiner in Ofen zu errichtenden Zweiganstalt des StA. zu vereinigen. Mit dem Gedanken einer Einlieferung des ungarischen Hof­kanzleiarchivs soll sich auch schon Fürst Schwarzenberg getragen haben. Doch blieben alle diese Pläne unausgeführt. Man begnügte sich mit der Zustandebringung der entfremdeten Archivalien. Einen Teil erwarb die Hofbibliothek, einen anderen 1852 und 1855 das Archiv des kaiserlichen Kabinetts. Die 1861 neuerdings im Antiquariatshandel aufgetauchten Ar­chivteile wurden, insoweit sie nicht inzwischen schon veräußert worden waren, mit Beschlag belegt und über Auftrag des Kaisers um 2000 fl. ange­kauft.1 Sie wurden teils der wiedererrichteten ungarischen Hofkanzlei, teils dem StA. (10 Aktenbünde) zugewiesen. Einige Aktenstücke erhielten auch das Kanzleiarchiv des Kriegsministeriums und die Generaladjutantur des Kaisers. Seit dem Jahre 1867 machten sich auf ungarischer Seite mit rasch wachsender Intensität Bestrebungen zur Wiedergewinnung der im StA. be­findlichen Teile des ungarischen Hofkanzleiarchivs geltend (der Hauptstock befand sich damals schon in Verwahrung des ungarischen Landesarchivs). Es kam zu großzügigen Aktenentlehnungen und zur Zurückhaltung des Leihgutes,1 2 schließlich zur offiziellen Anforderung aller einschlägigen Archi­valien des StA. Darüber entbrannte — ein Charakteristikum des neu­geschaffenen Dualismus — ein langwieriger und erbitterter Kleinkrieg, der 1883 zur Ausfolgung aller 1861 übernommenen ungarischen Hofkanzlei­akten an Ungarn führte.3 Auf Grund weiterer Anforderungen mußten 1886 auch jene Zuwächse von 1861 an Ungarn ausgeliefert werden, die nicht die ungarische Hofkanzlei betrafen. Damit sowie mit dem schon 1885 ausge­sprochenen Verzicht auf die ungarischerseits zurückbehaltenen Leihegaben und mit der neuerlichen Abgabe von eben erst angekauften ungarischen Hofkanzleiakten kam die leidige Angelegenheit, die in einen hitzigen Kampf um jedes Aktenblatt auszuarten drohte, zum Abschlüsse. In den Achtzigerjahren hat die Abteilung Ungarische Akten verschie­dene, bisher in der belgischen Abteilung verwahrte Hungarica, darunter die Papiere der Königin Maria,4 übernommen (heute Aktenbünde 342—354 der Unterabteilung Specialia), auch von der Hofbibliothek vier Aktenbünde ungarischer Miscellaneen (1255—1776), die zum Teil aus dem Archive der ungarischen Hofkanzlei stammten, eingetauscht. Auch aus dem Archive der Grafen Porcia sowie aus der Abteilung Fridericiana hat die Abteilung damals erhebliche Zuwächse erfahren.5 In den Neunzigerjahren hat diese Abteilung vom Ministerium des Äußern, aus dem Kriegsarchive, aus Stutt­1 Vgl. Bd. I S. 55*. 2 Ein ähnlicher Fall hatte sich schon 1834 ereignet (Keg. des StA. Z. 7/1834). ­3 Vgl. hiezu F. Reinöhl in der Archivalischen Zeitschrift 1926 (Zur Geschichte der Wiener Zentralarchive). 4 Vgl. die AB. 108/6 und 193 und unten die Abteilung Belgien. 5 Vgl. AB. 537/1 (Fiedler n. a.).

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