Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Urkundenabteilung von Paul Kletler

4 Die Urkundenabteilung. Österreich, das Wiener Schatzgewölbearchiv,1 dar. Als ausgesprochenes Urkundenarchiv (Bd. I S. 14*) bildet es auch den wichtigsten und verhält­nismäßig größten Bestand der Urkundenabteilung. Wie schon im ersten Band S. 13* hervorgehoben wurde, war dieses Schatzgewölbearchiv kein einheitlicher Archivkörper, sondern es setzte sich aus einer großen Zahl archivalischer Gebilde der verschiedensten Art zusammen, die im einzelnen heute meist nicht mehr restlos zu erfassen sind. Dies wird in den folgenden Ausführungen noch näher beleuchtet werden. Hier genügt zunächst die Feststellung, daß diese Vielheit archivalischer Gebilde durch die Tätigkeit des für seine Zeit hervorragenden Fachmannes Wilhelm Putsch1 2 in der Zeit von 1527—1547 zu einer Einheit zusammengefaßt wurde. Bei den meisten diesem Archiv angehörigen Stücken ist die Bestimmung der „Ur- provenienz“ heute oft unmöglich, oft unsicher. Denn die einzelnen alten Archive bestehen ja meist selbst wieder aus Teilarchiven oder Archivsplit­tern verschiedener Herkunft (Bd. I S. 13*), ja waren mitunter noch in der letzten Zeit als lebendige Registraturen durch Teilungen oder durch das Vorhandensein mehrerer Urkundungsorte, an denen sich Registraturen bildeten, zerrissen und kamen also schon nicht mehr als vollständige, ge­schlossene Archivkörper ins Schatzgewölbe. Endlich sind sie — und das ist das wichtigste Moment — durch jahrhundertelange gemeinsame Ver­wahrung und Verwertung, wodurch sie mit anderen im Schatzgewölbe liegenden Urkunden der verschiedensten Herkunft des Betreffs halber ver­einigt wurden, durch vielfältige gemeinsame Schicksale — Auslieferungen anläßlich der habsburgischen Verwaltungsteilungen nach Graz und Inns­bruck, von wo dann die einzelnen Archivkörper meist nicht auf einmal als Ganzes, sondern zu verschiedenen Zeiten „in Raten“ zurückgebracht wur­den — mit anderen Urkundenbeständen des Schatzgewölbes so verwach­sen und verschmolzen, daß ihre provenienzmäßige Ausscheidung, wenig­stens wissenschaftlich streng, nicht mehr möglich ist. Meist bieten die Ein­tragungen in dem von Putsch angefertigten Repertorium (Bd. I S. 226 AB. 333) und die damit korrespondierenden, in der Regel Jahreszahl und Gruppe umfassenden Vermerke Putschens auf dem Rücken der Originale 3 den ersten sicheren Anhaltspunkt für die Bestimmung einer Provenienz, eben der des Schatzgewölbes. Und selbst wenn alte, noch in der letzten Zeit des betreffenden Geschlechtes oder erst bei der Übernahme ins Schatz­gewölbe oder bei einer bald darauf erfolgten Aufnahme des übernommenen Bestandes angelegte Repertorien oder Verzeichnisse vorhanden sind, wie etwa bei den Archiven der Grafen von Görz und der Herren von Walsee (AB. 331 Bd. I S. 226; AB. 358 und 358 a Bd. I S. 232), macht die Un­genauigkeit der Regesten und vor allem das Fehlen der Monats- und Tages­daten oder selbst der Jahreszahl die Identifizierung der Urkunden oft un­möglich. Man müßte also bei einer Rekonstruktion der ursprünglichen Archivkörper die sicher© Basis für den Nachweis der Provenienz „Schatz­1 Siehe die Ausführungen über dieses Archiv S. 13—63. * Über ihn vgl. jetzt Franz Hüter in den Historischen Blättern, herausgegeben von L. Groß, 7. Heft, Wien 1937, S. 89—96. 3 Siehe Otto H. Stowasser, Das Archiv der Herzoge von Österreich S. 31.

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