Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
50 Die Urkundenabteilung. herschaft und irer zuegehörung wegen hinach zu künftigen Zeiten über kurtz oder lanng erfunden wurdenn, die soll und wil ich irer fürstlichen durchleuchtigkeit auch zu derselben hannden auf die oberosterreichisch earner uberanntwurten.“ Manches ging jedoch trotz dieser Fürsorge verloren. Schon im 15. Jahrhundert (1492) waren im Schlosse Tettnang „briefe und güter“ der Grafen von Montfort verbrannt.1 1753 wurde dann das Schloß abermals von einem Brand heimgesucht, und wir erfahren aus der Urkunde', mit der Graf Ernst zu Montfort am 30. Juni 1755 alle Ansprüche an die Grafschaft Bregenz wie auch das Recht, sich Herrn von Bregenz zu nennen, an Österreich verkauft, daß die diese Ansprüche betreffenden „Akten und Dokumente“, soviel er wisse, durch den Brand vernichtet worden seien; was etwa noch gefunden würde, sollte ausgeliefert werden. Es scheint sich jedoch hier nur um eine Ausflucht zu handeln. Denn wenige Wochen nach dem Brande, am 6. Dez. 1753, schreibt Graf Ernst an den Grafen von Waldburg-Wolf egg: „Bey dieser höchst betrübter Verhängnuß seynd alleinig das Archiv und die Acta ... wegen der ... hierauf getragener besonderer sonderbaren Obsorge ohnverletzt geblieben.“ 2 Ging also auch bei den Bränden sicher ein Teil des Montforter Archivs verloren: der Kern scheint erhalten geblieben zu sein. Die nächste Abteilung GrafenvonPhannenberg, 19 Urkunden von 1292—1375 umfassend, die im Jahre 1565 alle nach Graz kamen und heute im Repertorium XXIV (AB. 406) eingetragen sind, enthält zum Teil Urkunden pfannbergischer Herkunft, zum Teil solche, die dem Betreff nach hier eingeteilt wurden (bis 1446). Es ist klar, daß es sich hier nur um einen Splitter des Pfannbergischen Archivs handeln kann. Das eigentliche Archiv dieser Familie, die von den Montfort beerbt wurde, teilte wohl das Schicksal von deren Archiv, dürfte sich also heute in Innsbruck (oder auch in München) befinden.3 Nun folgt die umfangreiche Abteilung GrafenvonSchaumberg. Da sie rund 100 Urkunden von 1325—1548 umfaßt, könnte man auf den ersten Blick meinen, das Schaunbergische Archiv oder wenigstens einen wesentlichen Teil dieses Archivs vor sich zu haben. Bei genauerer Prüfung aber zeigt sich, daß fast die ganze Masse dieser Urkunden aus der habsburgischen Registratur stammt, erwachsen, wie wir ja schon hörten, aus den vielfältigen Beziehungen der Schaunberg als Landeshauptleute ob der Enns, Marschälle von Steyr und oberste Marschälle zu den österreichischen Landesherren — Johann von Schaunberg z. B. bekleidete um die Mitte des 15. Jahrhunderts alle genannten Ämter und noch das eines Pflegers von Linz; Dienst-, Bestand- und Lehenreverse der Schaunberg, aber auch Urkunden dritter, die Schaunberg betreffend, waren im Wiener Schatzgewölbe zusammengekommen. Nur eine kleine Zahl von Urkunden stammen provenienzmäßig aus dem Archiv der Grafen von Schaunberg: Familienurkunden des 14. Jahrhunderts sowie eine Reihe von Urkunden Friedrichs III. aus den Vierzigerjahren des 15. Jahrhunderts auf Graf Jo1 Reichsregisterband V, fol. 152. 2 J.N.v.Vanotti, Geschichte der Grafen von Montfort und von Werdenberg (1845), S.202. 3 Ein Urbar pfannbergischer Provenienz liegt im Landesarchiv zu Graz.