Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)

Die Klosterarchive von Walther Latzke

Geschichte einzelner Klosterarchive: St. Pölten. 493 net, leider aber auch durch eine krause Unübersichtlichkeit. Der Mangel einer klaren Anordnung des Stoffes läßt den Leser zu keinem rechten Ge­samteindruck gelangen. Zudem ist der dritte Band des Lampel’schen Ur­kundenbuches, dessen Einleitung eine Untersuchung über die Einrichtung des St. Pöltener Archivs bringen sollte, nicht zustande gekommen. So soll es der Zweck der folgenden Darlegungen sein, aus der Lampel’schen Dar­stellung die wichtigsten Ergebnisse herauszugreifen, sie nachzuprüfen, zu vervollständigen und zu einer kurzen Schau über die Geschichte des St. Pöltener Archivs zusammenzufassen. Für das 17. und 18. Jahrhundert konnten noch erhebliche Ergänzungen beigebracht werden. Obgleich das Chorherrenstift als die älteste Klostergründung auf dem Boden Niederösterreichs angesehen werden muß, reichen die erhaltenen Originalurkunden seines Archivs kaum bis ins 13. Jahrhundert zurück; die Erklärung für diesen Umstand ist nur zum Teil in Verlusten zu suchen, die das Archiv zwischen 1725 und 1846 erlitten haben muß (Näheres darüber unten); sicher sind schon im Mittelalter eine ganze Reihe von Urkunden verlorengegangen. So hat schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein Aufruhr im Stifte selbst dazu geführt, daß ein Chorherr Huno wichtige Urkunden des Archivs zerrissen und zerschnitten hat („ ... et inter ceteros nephandos excessus predictus Huno piaculare flagitium, quod etiam horren­dum est fari, quadam vesania committens, privilegia ipsius ecclesie, quibus tam per sedem apostolicam quam etiam ex concessionibus imperatorum, regum et aliorum principum feliciter erat dotata, membratim delaniavit, bullas papales per medium scindendo in contemptum ecclesiastice disci­pline, detrimentum perpetuum ecclesie memorate et in scandalum pluri­morum“). Dieser Archivfrevler wurde am 10. März 1250 von dem päpst­lichen Legaten Konrad, Propst zu St. Guido in Speyer, mit dem Kirchen­banne belegt.1 Seine verbrecherische Tat hat ohne Zweifel den Anlaß zur Entstehung eines Kopialbuches (Aa), des ältesten uns erhaltenen, gegeben.1 2 Bereits um 1240 hatte man 7 wichtige Urkunden aus der Zeit von 1058 bis 1213 in ein Pergamentheftchen eingetragen, und zwar die Schenkung König Heinrichs IV. von 1058 Okt. 2 über drei Königshufen zu Mannswörth und den Markt zu St. Pölten, Aufzeichnungen über die Regelung der St. Pöltener Gerichtsbarkeit zwischen dem Stift und dem Bistum Passau (um 1125) und über die Abgaben der Stiftsmeier (um 1150), die Schenkung Bischof Konrads über die Pfarrkirche zu Bruck an der Leitha (1159 Dez. 16), die Schutzurkunden der Päpste Alexander III. (um 1180) und Innozenz III. (1206 Jan. 12) und die Schenkung Bischof Mangolds über die Pfarre St. Pölten (1213 Dez. 13). — Dieses Pergamentheft wurde nun entsprechend vergrößert und nahm in den Jahren 1250—1252 die Abschriften von 18 Ur­kunden (1157—1252) auf, zum größten Teile von 1249 verschont gebliebe­nen Stücken; es sind hauptsächlich Urkunden der Passauer Bischöfe, da­neben Schenkungen und Privilegien der Herzoge Friedrich II. (1241 Juli 31, 1243 Sept. 8) und Ottokar (1252 vor Mai 24), eine Verzichtsurkunde der 1 Lampel, I, Nr. 41. 2 StA., Hs. Böhm 1077. — Vgl. Lampel, I, Einleitung S. XXXVII ff.

Next

/
Oldalképek
Tartalom