Inventare Teil 5. Band 6. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1938)
Die Urkundenabteilung von Paul Kletler
Das Wiener Schatzgewölbe. 17 geschlechtes zum Hause Österreich. Besonders ungünstig für die Erhaltung der provenienzmäßigen Reinheit eines solchen Dynastenarchivs war es, wenn außer Beziehungen der geschilderten Art auch noch mehr weniger feindliche Beziehungen zu den österreichischen Herzogen dadurch bestanden, daß diese bestrebt waren, das betreffende Geschlecht in immer größere Abhängigkeit zu bringen und unter ihre Landeshoheit zu beugen. Denn die Urkunden, in denen die Erfolge dieser Bestrebungen ihren Niederschlag fanden, Verträge der verschiedensten Art, erzwungene Dienst- und Lehensreverse, wurden natürlich im Wiener Schatzgewölbe mit besonderer Sorgfalt aufbewahrt, durch Urkunden Dritter, die irgendwie das Geschlecht, das unterworfen werden sollte und dessen Besitzungen, nach denen man am Wiener Hofe lüstern war, betrafen, vermehrt und schließlich, wenn das Familienarchiv oder Teile desselben etwa bei Erlöschen des Geschlechtes eingezogen wurde, mit diesem vereint. Man kann bei diesen Ausführungen im besonderen an die Grafen von Schaunberg denken. Schon im 14. Jahrhundert war Graf Ulrich von Schaunberg Hauptmann der oberösterreichischen Stände und trat auf die Seite Herzog Albrechts III. von Österreich gegen dessen Bruder Leopold; der bezügliche Dienstrevers von 1372 wie auch ein gleicher Dienstrevers aus dem nächsten Jahr von Graf Heinrich von Schaunberg lagen und liegen im herzoglichen Schatzgewölbe; 1489 kam das durch das Aussterben der Walseer im Jahre 1483 frei gewordene oberste Marschallamt an die Schaunberg, die vorher schon Marschälle von Steyr gewesen waren. Durch die Lehensnahme im Jahre 1383 wurde ihre politische Macht, wenn sie auch juristisch weiter reichsunmittelbare Grafen blieben, de facto gebrochen.1 Ins herzogliche Archiv gelangten außer den angeführten Dienstreversen natürlich auch die entscheidenden Lehensreverse von 1383; hier lag auch die in der herzoglichen Kanzlei gefälschte Unterwerfungsurkunde der Schaunberger von 1361;1 2 3 und endlich wurden noch Urkunden, in denen dem Herzog Albrecht III. von verschiedenen Seiten Hilfe gegen Grafen Heinrich von Schaunberg versprochen wurde, dazugelegt, obzwar diese Urkunden weder Schaunberger Provenienz noch von Gliedern dieses Geschlechtes ausgestellt waren, sondern lediglich des Betreffes wegen und wegen ihrer Wichtigkeit für den Kampf des Herzogs gegen die Schaunberg. Ungünstig war es in diesem Falle dann auch noch, daß die Schaunberg erst 1559, also nach Putsch, d. h. nach der großen Organisation und zum Teil Gründung des kaiserlichen Archivs erloschen, sodaß, als Splitter ihres Archivs endlich nach Wien kamen, hier bereits ein großer Bestand Schaunberg, wie eben dargelegt wurde, erwachsen war. Ähnlich enthält auch der Bestand Zelking nur wenige Urkunden aus dem Besitz der Herren von Zelking, der Hauptteil ist herzoglich (kaiserlich) österreichischer Provenienz; auch die Zelking standen als Ministerialen früh in Beziehungen zum Landesherrn, ja sie wurden später geradezu zum „hofgesindt“ gerechnet (Dienstrevers von 1511). 1 Vgl. Otto H. Stowasser, Zwei Studien zur österreichischen Verfassungsgeschichte, S. 141, in Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung 44, 1924. 3 Siehe derselbe, Das Land und der Herzog in Bayern und Österreich, 1925, S. 7 f. Inventore des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs, Bd. 6. 2