Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 45* Ländern auf Kosten des StA. eingetreten war.1 Doch muß anerkannt werden, daß das im Jahre 1920 zur Neuorganisation des österr. Archivwesens geschaffene Archivamt, das von M. Mayr und in dessen Vertretung von F. Wilhelm geleitet wurde, mit großer Schonung vorging. Zu einer vollen Anerkennung des archivalischen Besitzstandes des StA. in dem vom Min. d. Äuß. im Jänner 1914 festgesetzten Umfang1 2 3 konnte es sich jedoch nicht verstehen. Es muß hervorgehoben werden, daß das Min. d. Inn. schon im Jahre 1916, sicherlich hier auch durch Anträge M. Mayrs mitbestimmt, diesen Feststellungen des Min. d. Äuß. nicht voll zugestimmt, sondern gegen die Einbeziehung der Archive der vorhabsburgischen staatlichen Gewalten in den Besitzstand des StA. Einspruch erhoben hatte. Tatsächlich schlug das Archivamt 1921 vor, nur die Archive des kaiserlichen Hauses, des auswärtigen Dienstes und der mit dem auswärtigen Dienst verknüpften Ratskollegien, des Römischen Reiches deutscher Nation, der Hofbehörden und der Kabinettskanzlei als Besitzstand des StA. zu erklären. Die Anforderung der übrigen Bestände durch die in Betracht kommenden Archive in den Ländern wurde in den 1921 und 1922 vom Archivamte eingeleiteten Beratungen mehrfach behandelt. Zu einer endgültigen Regelung ist es jedoch nicht gekommen.8 Gewiß ist nicht zu verkennen, daß manches für den Standpunkt der Länder spricht. Viele Ausführungen dieses Gesamtinventars werden für diesen ins Treffen geführt werden können. Das eine ist sicher, daß diese Regelung sich nur auf dem Boden einer nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten durchgeführten allgemeinen Austauschaktion vollziehen könnte. Eine solche wurde schon in der vom Staatsamt für Äußeres 1920 erlassenen Archivordnung4 vorgesehen, welche im zweiten Absatz des Punktes III verfügt: „Neben der Ordnung der Bestände ist auf deren provenienz- und bestimmungsgemäße Ergänzung Bedacht zu nehmen. In geeigneten Fällen kann die Archivleitung einen Archivalienaustausch mit anderen Archiven oder Anstalten beantragen.“ In der Archivordnung von 1925 wurde diese Bestimmung wiederholt.4 Die Genehmigung solcher Austauschverhandlungen liegt im freien Ermessen der Bundesregierung.5 6 Ein eigentumsrechtlicher Anspruch der Länder besteht nicht. Die Archive der vor und neben der habsburgischen Hauptlinie in den Ländern bestehenden staatlichen Gewalten waren ebenso wie die Archive der aufgehobenen Klöster Staatseigentum des Kaisertums Österreich und sind durch die Bestimmungen des Art. 208 des Friedensvertrages0 und des § 11 des Bundesverfassungsübergangsgesetzes vom 1. Oktober 19207 in das Eigentum des 1 M. Mayr, Vom österr. Archivwesen, in: Deutsche Geschichtsblätter V 322 ff. 5 Vgl. oben S. 36*. 3 Dies muß gegenüber den Ausführungen von V. Thiel, Das steiermärkische Landesregierungsarchiv, Archival. Zeitschr. 37. Bd., S. 211 festgestellt werden. * Siehe unten 2. Abschnitt § 4. 5 Vgl. auch Art. 10, Punkt 13 der Bundesverfassung von 1920 (BGBl. Nr. 1, S. 2), Art. 34 und 120 der neuen Bundesverfassung vom 24. April 1934 (BGBl. 1934 II Nr. 1). 6 StGBl. 1920 Nr. 303, S. 1119. 7 BGBl. 1920 Nr. 2, S. 21, wieder verlautbart im BGBl. 1925 Nr. 368, S. 1415.