Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

44* Einleitung. turen der k. u. k. österreichisch-ungarischen Zentralbehörden, des Min. d. Äuß. und der Kabinettskanzlei fügen, wodurch auch diese Registraturen erhebliche Verluste erlitten, die glücklicherweise auf die tschechoslowaki­schen Betreffe beschränkt blieben, da es gelang, diese Bestände in den spä­teren Verhandlungen mit den anderen Nationalstaaten von der Abgabe gänz­lich auszuschalten. Im Zuge der allmählichen Wiedergewinnung der österr. Souveränität konnten dann diese, den organischen Zusammenhang des Aktenlaufes zerstörenden Abgaben eingestellt werden. Erhebliche, bei einer strengeren Auslegung der Archivverträge mitunter vermeidbar gewesene Verluste erlitten auch die Registraturen der Hofbehörden und der Verwal­tungsstellen der habsburgisch-lothringischen Familiengüter, beide aller­dings zum Teil schon zu einer Zeit, wo sie noch nicht in der Verwaltung des StA. waren. Der archivalische Besitzstand des StA. war nach dem Zusammenbruch auch verschiedenen Anforderungen seitens anderer österr. Anstalten aus- gesetzt. Das StA. war, wie wir gesehen haben, zur Zeit der Monarchie organisatorisch vollkommen isoliert gewesen. Seine geschichtliche Stellung als Archiv des kaiserlichen Hauses und des Min. d. Äuß. hatte ihm jedoch meist einen gewissen Schutz gegen Losreißungsbestrebungen verliehen. Dies wurde jetzt anders. Das StA. wurde nun in den Rahmen der werdenden deutschösterreichischen Archivorganisation einbezogen.1 Die damals zeit­gemäße Gleichmacherei äußerte auch hier ihre Wirkung. Alter, Umfang und Bedeutung der Bestände und geschichtliche Überlieferung wurden wenig geschätzt. Andere Archive wollten den Abstand an Geltung und dienstrechtlicher Stellung, der zwischen ihnen und dem StA. bestand,1 2 auf Kosten des StA. aufholen. Das neue Staatsamt für Äußeres, einem ähn­lichen Verlust an Geltung ausgesetzt, konnte dem StA. keinen wirksamen Schutz leihen. Da war es ein Glück, daß in der ersten und schwersten Zeit ein Mann wie Oswald Redlich3 an die Spitze des StA. gestellt wurde und zugleich als österr. Archivbevollmächtigter maßgebenden Einfluß auf das gesamte österr. Archivwesen erhielt. Redlich besaß volles Verständnis für die geschichtliche Größe der Anstalt, genoß andererseits aber auch ein so großes wissenschaftliches Ansehen in allen Ländern, in die nun das neue Staatswesen zu zerfallen drohte, daß er den Losreißungsbestrebungen Widerstand leisten konnte. Es war daher für die Erhaltung des archivali- schen Besitzstandes des StA. gewiß nicht günstig, daß 0. Redlich wegen Überlastung mit Arbeit die Neuorganisation des österr. Archivwesens nicht weiterführen konnte und diese Mission an den Direktor des Innsbrucker Statthaltereiarchivs und späteren Bundeskanzler Michael Mayr überging, der schon zur Zeit der Monarchie für die Ausgestaltung der Archive in den 1 Die näheren Einzelheiten bei L. Bittner, Das StA. in der Nachkriegszeit a. a. 0. 141—146, und unten 2. Abschnitt § 3. 2 Schuld daran trugen allerdings nicht das StA., sondern die betreffenden Ober­behörden, die an Wohlwollen und Fürsorge für die zugeteilten Archive vom Min. d. Äuß. weit übertroffen wurden. Vgl. oben S. 25* und unten 2. Abschnitt § 3, 3. Ab­schnitt § 5. 3 Siehe unten 4. Abschnitt § 2 und S. 103.

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