Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Erster Abschnitt. § 1. 37* ganz richtig die aufgezählten Archive als „gemeinsamen B e s i t z“, nicht als gemeinsames Eigentum der Gesamtmonarchie, von der Feststellung ausgehend, daß viele der aufgezählten Archive nicht Eigentum der Gesamt­monarchie, sondern nur Eigentum der österr. Reichshälfte waren (oben S. 29*). Besser wäre jedoch der Ausdruck „gemeinsame Verwaltung“ ge­wesen. Sie sind unvollkommen, denn sie tragen vielen Zuwächsen nicht Rechnung, welche die Idee des Zentralinstituts mit sich gebracht hatte, wie z. B. den Archiven der aufgehobenen Klöster.1 Immerhin war durch diese zum erstenmal seit dem Verzicht auf die Idee des Zentralinstituts autoritativ erfolgte Feststellung des Besitzstandes eine leidlich haltbare Grundlage für dessen Erhaltung, vor allem aber eine den modernen archiv­wissenschaftlichen Grundsätzen entsprechende Handhabe für die Weiter­entwicklung geschaffen worden, die sich denn auch in diesem Rahmen vollzogen hat. An der Erklärung vom 15. Jänner 1914 ist ferner bemerkenswert, daß neben dem Kriegsarchiv auch das Hofkammerarchiv1 2 ausgeschaltet ist. Dies entspricht dem damaligen Stand der Dinge. Die seit 1907 unternom­menen Versuche Schiitters, das Hofkammerarchiv dem StA. zu gewinnen, waren immer wieder gescheitert,3 und zwar an dem Widerstande der österr. Regierung und des österr. Archivrates, die für die Vereinigung dieses Archivs mit dem Archiv des österr. Finanzministeriums eintraten, sowie der ungarischen Regierung und des ungarischen Direktors des Hofkammer­archivs, Ludwig von Thalloczy. Mitbestimmend war dabei auch weiterhin der Umstand gewesen, daß das neue Gebäude des StA. das große Archiv nicht mehr aufnehmen konnte.4 Der von Schiitter 1910 (schon unter der Direktion von Károlyis) gezeigte Ausweg, durch Abtretung des Kossuth- archivs und der Registratur der Budapester Statthalterei an Ungarn Raum zu gewinnen und dadurch auch die Zustimmung der ungarischen Regierung zu erlangen,5 war nicht beschriften worden. Wie sehr man im Min. d. Äuß. abgeneigt war, sich in dieser Angelegenheit zu exponieren, zeigt folgender Fall. Schiitter war im Mai 1913 in die Commission permanente des Congrés internationaux des Archivistes et des Bibliothécaires6 als Vertreter der österr. Archive gewählt worden. Das Ministerium entschied jedoch, daß Schiitter als Beamter einer gemeinsamen österreichisch-ungarischen An­1 Vgl. oben S. 23*, 24*, 29*. 2 Vgl. oben S. 33*, 34*. 3 In mehreren Denkschriften hatte Schütter die Zustimmung des Erzherzogs Franz Ferdinand gewonnen, in einer Ende März 1908 gemeinsam mit Mitis nach Paris unternommenen Reise auch die Befürwortung des österreichisch-ungarischen Botschafters in Paris, Graf Rudolf Khevenhüller-Metsch, der eine Denkschrift an den Minister des Äußern unterschrieb, die mit dessen Zustimmung auch dem Erz­herzog Franz Ferdinand überreicht wurde. Vgl. unten S. 127, 158 Anm. 3. 4 Mit dieser Begründung lehnte Aehrenthal auch eine weitere Denkschrift Schiitters vom 22. Nov. 1909 ab. 5 Niederschrift über eine Unterredung von Károlyis und Schiitters mit dem ersten Sektionschef des Min. d. Äuß. L. von Müller vom 19. April 1910. 0 Vgl. I. Cuvelier et L. Stainier, Commission permanente des Congrés inter­nationaux des Archivistes et des Bibliothécaires. Congrés de Bruxelles 1910. Bruxelles 1912, S. 774.

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