Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
38* Einleitung. stalt die Vertretung der österr. Archive keinesfalls übernehmen könne. „Aber auch eine Vertretung der gemeinsamen Archive könnte nur in dem Fall eintreten, wenn alle diesfalls in Betracht kommenden Archive1 ihre Zustimmung hiezu erteilen würden.“ Bald nach der Übernahme der Direktion nahm Schiitter den Plan neuerdings auf. Im Juni 1914 schien der Erfolg gesichert, da Erzherzog Franz Ferdinand den Rücktritt des Direktors des Hofkammerarchivs, L. von Thal- loczy, durchsetzte. Das Attentat vom 28. Juni 1914 machte alles zunichte. Thalloczy blieb im Amt. Schiitter ließ sich jedoch in seinen Bemühungen nicht irremachen und erneuerte in einer Denkschrift vom 7. Juli 1915 seine Anträge. Dreimal noch scheiterten seine Bemühungen knapp vor dem Erfolg. So am 1. Dezember 1916, als Thalloczy, mit dem schon eine Einigung hergestellt war, einem Eisenbahnunglück zum Opfer fiel, Ende Dezember desselben Jahres, als der gemeinsame Finanzminister Prinz Hohenlohe, der schon gewonnen war, zurücktrat, und endlich im März 1917, als der neue gemeinsame Finanzminister dem Minister des Äußern, Graf Ottokar Czernin, der sich für die Pläne Schiitters entschieden hatte, eine Absage erteilte. Einen weiteren Rückschlag bedeuteten die Beschlüsse des österr. Archivrates vom 6. November 1917 und das im Auftrag des Archivrates im April 1918 erstattete Gutachten Prof. August Fourniers, die sich beide für die Übergabe des Hofkammerarchivs an das österr. Finanzministerium erklärten. So trat denn das StA. mit dem im Jänner 1914 (oben S. 36*) umschriebenen Besitzstand in die durch den Zusammenbruch der Monarchie verursachten schweren Kämpfe gegen die Bedrohung seines Besitzstandes von außen und innen her ein. Ich habe bereits an anderer Stelle ausführlich dargestellt, wie sich der Zusammenbruch Österreich-Ungarns im November 1918 auf die österr. Archive1 2 und insbesondere auf das StA.3 auswirkte. Ich kann mich daher hier kurz fassen.4 Die Unklarheit, die in der Zeit zwischen der Unterzeichnung des Waffenstillstandes (3. November 1918) und der Unterzeichnung des Friedensvertrages von St. Germain (10. September 1919)5 über das Schicksal des Staatseigentums der österreichisch-ungarischen Monarchie und ihrer Gliedstaaten herrschte, wirkte sich auch für das Archivwesen unheilvoll aus. Die Staaten, die durch den Zusammenbruch entstanden 1 Das Kriegs- und das Hofkammerarchiv. 2 L. Bittner, Die zwischenstaatlichen Verhandlungen über das Schicksal der österreichischen Archive nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns in: Archiv für Politik und Geschichte III, Berlin 1925, S. 58—95. Vgl. auch Bericht über die Versammlung deutscher Historiker, Frankfurt a. M., Diesterweg, 1926, S. 37, Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 1925, Sp. 206, 216 und unten 4. Abschnitt § 2. • • 3 L. Bittner, Das Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv in der Nachkriegszeit in: Archiv. Zeitschr. 35. Bd., S. 141—203, insbesondere S. 156—163. 1 Das Gesamtinventar gibt darüber Aufschluß, inwieweit die einzelnen Abteilungen des Archivs durch den Zusammenbruch in Mitleidenschaft gezogen wurden. Vgl. auch oben S. 21* Anm. 3. 5 StGBl. 1920, Nr. 303; Martens-Triepel, Nouveau Recueil Général des Traités, 3. Serie, XI, 691.