Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)
Einleitung
Erster Abschnitt. § 1. 27* mando eine Denkschrift über die Bestellung eines Generalarchivinspektors oder Reichsarchivars überreicht, deren Gedanken sich vielfach mit denen Chmels von 1844 und 1849 deckten, vielleicht auf sie zurückgingen.1 Denn auch Dudik forderte wie Chmel die Ausgestaltung der Provinzialarchive und deren Inventarisierung unter Leitung eines Generalarchivinspektors, nicht aber die räumliche Vereinigung aller staatlichen Archive. Während nun das Ministerium des Innern der Sache nähertrat und Dudik aufforderte, ein ausführliches Programm auszuarbeiten,1 2 lehnte der Unterstaatssekretär im Ministerium des Äußern, Freiherr von Werner, in einem eigenhändigen, vom 6. September 1857 datierten Amtsvermerk die weitere Behandlung einer Eingabe Chmels vom 11. August 1857, die ebenfalls die Inventarisierung aller Zentral- und Provinzialarchive, nach deren Abschluß aber (über Dudik hinausgehend) nun auch die Vereinigung alles dessen, „was sich auf den Gesamtstaat bezieht“, „in einem größeren Lokal“ zu einem Zentralarchiv3 vorschlug, ab. Damit hatte das Ministerium des Äußern offenbar unter dem Eindruck der Beratungen der Ministerkonferenz vom 11. Juli 1857 die Überlassung der Zentralisierungsaktion an das Ministerium des Innern pro foro interno vollzogen. Daß die Entwicklung sich tatsächlich in dieser Richtung bewegte, geht aus einer Note des Finanzministeriums an das Ministerium des Innern vom 30. Oktober 1857 hervor, welche, die Gedankengänge der Dudikschen Denkschriften ablehnend, die Gründung eines Reichsarchivs beim Ministerium des Innern vorschlug. Das Finanzministerium sah in dieser Note noch eine Sonderstellung „des für sich abgeschlossen bestehenden Haus-, Hof- und Staatsarchivs“ vor. Jedenfalls konnte das StA. nun nicht mehr Kristallisationskern eines Zentralarchivs sein, wie es Metternich und Hormayr und dessen Nachfolgern vorgeschwebt hatte, sondern es konnte entweder nur mehr Objekt der Zentralisierung sein oder gänzlich aus dieser ausgeschieden werden. Die Entwicklung vollzog sich zunächst in der erstgenannten Richtung. Auf Grund einer Note des Min. d. Inn. vom 15. Jänner 1858 erhielt Erb den Auftrag, die für die Unterbringung des StA. in dem geplanten 1 Diese Denkschrift dürfte mit der Registratur des Ministeriums des Innern durch den Brand des Justizpalastes am 15. Juli 1927 vernichtet worden sein. Doch läßt sich der ganze Vorgang nach dem in der Registratur des Ministeriums des Äußern unter F 14 erliegenden Notenwechsel mit den Ministerien des Innern und der Finanzen (21. und 28. Mai, 22. Nov. 1856, 6. Sept. 1857) und nach dem in der Registratur des Finanzministeriums erliegenden Notenwechsel dieses Ministeriums mit dem Ministerium des Innern (18. August 1857 und 30. Okt. 1857), den ich dank dem Entgegenkommen des Herrn Generalstaatsarchivars Dr. Kment benützen konnte, rekonstruieren. 2 Dies geschah in einer zweiten, jedenfalls vor dem 18. August 1857 eingebrach- ten, wohl ebenfalls verbrannten Denkschrift. Diese wird in einer Note des Min. d. Inn. an das Finanzministerium vom 18. August 1857 ausführlich zitiert. Sie ist bei ■Gerson Wolf 141 ff. im Auszug abgedruckt. 3 Es ist möglich, daß die Anregung zur Gründung des Reichsarchivs in der von Bach in der Ministerkonferenz vom 11. Juli vorgetragenen Formulierung von Alexander von Helfert stammt, wie H. v. Voltelini in seinem Nachruf auf Gustav Winter in der Zeitschr. „Aus deutschen Gauen“ IV (1924), S. 104 mitteilt. Da die Akten des Ministeriums des Innern über diesen Gegenstand verbrannt sind, so lassen sich diese Einzelheiten nicht mehr feststellen.