Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

Fünfter Abschnitt. § 5 b, c, d. 175* um seine Prioritätsrechte bangte, nochmals versucht, es aber dann bald aufgegeben. Aus neuerer Zeit ist dann nur mehr das Verbot der Vorlage der gesamten, 1910 übernommenen Registratur der Staatskonferenz zu nennen, das bis zum Umsturz galt. Seither sind alle aus dem Geschäfts­gang öffentlicher Behörden erwachsenen Archivalien bis zu dem festgesetz­ten Grenzjahr der Benützung freigegeben. Die Vorlage von Bestandteilen privater Archive richtet sich nach den besonderen Verhältnissen, bei bloß hinterlegten Archivalien (oben S. 59*) nach den Verfügungen der Eigen­tümer.1 d) Die Überprüfung (Zensur) der Archivbestände vor der Benützung. Trotz dieser Vorkehrungen war immer noch die Möglichkeit gegeben, daß die Forscher Kenntnis von Vorgängen erhielten, deren Geheimhaltung man wünschte. In den ersten Jahrzehnten nach Eröffnung des StA. für die wissenschaftliche Benützung bestand zwar die staatliche Zensur aller zum Druck gelangenden Werke, die einen gewissen Schutz gegen unerwünschte Veröffentlichungen bot.1 2 Diese wirkte sich jedoch nur für Inländer aus. Außerdem traute man der staatlichen Zensurstelle nicht die Fähigkeit zu, die Mitteilbarkeit geschichtlicher Vorgänge richtig zu beurteilen. Man glaubte daher, zu besonderen Vorkehrungen greifen zu müssen. In einigen wenigen Fällen verpflichtete man den Forscher, die von ihm im Archiv angefertigten Abschriften und Auszüge zur Überprüfung vorzulegen. Dieses Verfahren wurde begreiflicherweise nur bei Inländern angewandt, und zwar nur in der Zeit von 1819—1858, dann wieder 1907—1917 in einigen Fällen. Als das einzig wirksame Mittel zur Verhütung unliebsamer Enthül­lungen sah man die Überprüfung der Archivalien auf ihre Mitteilbarkeit vor ihrer Vorlage an den Forscher an, ein Verfahren, das im Amtsgebrauch ebenfalls mit dem Worte Zensur bezeichnet wurde. Schon die ursprünglich bestehende Vorschrift, daß jeder Forscher seinem Gesuche ein genaues Verzeichnis der Schriftstücke beilegen mußte, die er einzusehen wünschte (oben S. 168*), entsprang diesen Erwägungen. Denn auf diese Weise war es leicht möglich, eine Überprüfung der gewünschten Stücke auf ihre Mit­teilbarkeit durchzuführen. Je mehr sich diese Vorschrift als undurchführ­bar erwies (oben S. 168*) und je mehr die Staatskanzlei dem Archiv die Entscheidung darüber überließ, was im Einzelnen vorzulegen sei, um so verantwortungsvoller und schwieriger wurde die Überprüfung (Zensur) der vorzulegenden Stücke, um zu verhüten, daß Dokumente zur Kenntnis der Be- nützer gelangten, „wodurch Regenten, Staatsminister oder sonstige öffent­liche oder Privatpersonen, bei Lebzeiten oder auch nach dem Tode, com- promittirt oder wodurch bereits ruhende Streitfragen wieder aufgeregt wer­den könnten“ (Benützungsordnung von 1818, oben S. 167*). Dies bildete nun die ständige Sorge der Archivdirektoren, gerade auch derjenigen, welche der 1 L. Bittner, Das StA. in der Nachkriegszeit, S. 151, 166—168. 2 Vgl. H. v. Srbik, Metternich I 492, II 215, J. K. Mayr a. a. 0. S. 40—42.

Next

/
Oldalképek
Tartalom