Inventare Teil 5. Band 4. Gesamtinventar des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchivs (1936)

Einleitung

12* Einleitung. Die Keimzelle dieses Archivs bildete das seit 1137 in Klosterneuburg aufbewahrte und 1180 zum erstenmal geordnete Archiv der Babenberger, das nach Aussterben dieses Geschlechtes an die neuen Machthaber, zunächst an König Ottokar von Böhmen, dann an die Habsburger gelangte, welche die wertvollsten Urkunden 1299 im Kloster Lilienfeld hinterlegten. Am An­fang des 14. Jahrhunderts dürfte das Babenberger Archiv mit den aus dem Geschäftsgang der Habsburger neu erwachsenen Beständen vereinigt wor­den sein und teilte seither deren Schicksal. Dieser vereinigte Archivkörper bildete sich organisch durch Zuwachs der einlaufenden Stücke und Fest­haltung der auslaufenden Stücke wenigstens in Registerbüchern fort. In der Hausordnung von 1364 wird das Archiv als unteilbar erklärt, bald aber — vielleicht schon 1379, wahrscheinlich aber 1411 — durch die Spaltung des landesfürstlichen Hauses in mehrere Linien, deren jeder ein bestimmter Länderbesitz zugewiesen wurde, nach landschaftlichen Gesichtspunkten zer­rissen und mit den bei den einzelnen Linien entstehenden Archivkörpern vereinigt. Jeder dieser Teile bildete sich durch Ein- und Auslauf der Kanz­leien der betreffenden Linien weiter, so daß das Archiv, als Maximilian I. den Besitz sämtlicher Linien wieder in seiner Hand vereinigte, in den Vor­landen, in Wien, Graz, Innsbruck und Wiener-Neustadt verteilt lag. Maxi­milian I. faßte im Zuge seiner Zentralsierungsbestrebungen den Plan, ein Gesamtarchiv des Erzhauses zu gründen. Als Sitz dieses Gesamtarchivs war zunächst Innsbruck ausersehen. Es liegt ein Auftrag Maximilians vom 10. Februar 1501 zur Erbauung eines großen Archivgewölbes vor, das dieses Archiv aufnehmen sollte. Der Plan wurde aber damals nicht ver­wirklicht und erst elf Jahre später wieder aufgenommen. Ein Erlaß des Kaisers vom 9. Jänner 15121 verfügte die Einsetzung einer Kommission von sechs Räten und Sekretären, unter ihnen der Staatsmann und Ge­lehrte Dr. Johann Cuspinian, welche alle Satz- und Pfandbriefe und alle anderen brieflichen Urkunden bei dem Regimente, der Kanzlei, der Rait- kammer, bei einigen namentlich angeführten landesfürstlichen Beamten und anderwärts sammeln, sichten, geordnet in Bücher eintragen und in Laden, Truhen oder „Scateln“ reihen sollte. Dieser so zusammengetragene Bestand an Archivalien sollte in einem Gewölbe der Wiener Burg aufbewahrt werden. Aber auch dieser Plan fand keine Verwirklichung, wohl auch durch Schuld des mit der Verwaltung des Archivs mitbetrauten Sekretärs Lukas Breitschwert, dem im Jahre 1515 wegen Verkaufes von Urkunden an Parteien der Prozeß gemacht werden mußte.1 2 So war es Maximilian nicht gelungen, den Plan der Errichtung eines Gesamtarchivs durchzuführen. Die Archivalien lagen weiterhin in den Vorlanden, in Wien, Graz, Innsbruck und Wiener-Neustadt verstreut. Erst der Regierung Ferdinands I. blieb es Vorbehalten, das archivalische Material an zwei Orten zu zentralisieren. Daß dieses Werk gelang, ist das Verdienst des Sekretärs der Innsbrucker Regierung Wilhelm Putsch,3 des Neffen Cuspinians,4 der die Einziehung der 1 Winter a. a. 0. 8. 2 Stowasser a. a. 0. 29. 3 Die näheren Einzelheiten bei Stowasser 30 ff. 4 Nach freundlicher Mitteilung des Cuspinianforschers Hofrat Dr. Hans Ankwicz.

Next

/
Oldalképek
Tartalom