J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 17. Deckadressen

kische und russische diplomatische Korrespondenzen, während des Wiener Kongresses selbst die des Zaren1). Man wußte davon am Wiener Hofe und hat sich schon 1806 mit dem Gedanken getragen, sich dieser Korrespondenzen durch Bestechung der Deckfirmen zu bemächtigen2 3). Im geheimen Verkehr mit der Schweiz und mit Bayern bediente sich auch die Staatskanzlei der Deck­adressen. In Frankfurt spielte das Bankhaus Bethmann eine ähnliche Rolle:1). Schweizerische Handelshäuser in Schaffhausen und bayrische in Nürnberg zogen unter ihren Deckadressen Briefe aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg an sich, die nach Preußen oder Rußland bestimmt waren. Mit denselben Hilfs­mitteln korrespondierten die Metternich treu ergebenen Rothschilde von Paris und London über Österreich statt über Sardinien mit Italien, toskanische und neapolitanische Bank- und Handelshäuser — allen voran die Rothschilde in Neapel — auf demselben Wege mit Frankreich und England, andere fran­zösische und englische Firmen wieder über Sardinien statt über Österreich mit Italien usw. Die in Rom und Neapel beglaubigten Diplomaten bezogen ihre Pariser Zeitungen — zuweilen auch ihre Instruktionen — unter der Deck­adresse des Veroneser Postamtes (S. 90). Heimlich stahlen sich unter anderen Deckadressen verborgen zahlreiche private Korrespondenzen von Italien über Genua und Turin nach Nordfrankreich und England. Neben diesen Dienst­leistungen für Österreich hat sich das neapolitanische Bankhaus Rothschild auch mit solchen für Frankreich, England und Sardinien befaßt; 1825 z. B. war die diplomatische Beipost seiner Handlungskommis so bedeutend, daß der Mailänder Postdirektor Berger die Errichtung einer fliegenden Postloge in Piacenza ins Auge faßte4). Unter den Deckadressen des preußischen Konsuls Stichling in Livorno und des toskanischen Postbeamten Matteozzi in Florenz verständigten sich die Revolutionäre des Kirchenstaates mit den italienischen Emigranten in Frank­reich5). Auch Mazzini hat sich der Deckadressen bedient. Einer besonderen Vorsicht befleißigte sich der polnische General Bern bei seinen Korresponden­zen aus Paris: einen an seine Tante Madame de Pasqua gerichteten Brief ver­sah er mit der Deckadresse des ostgalizischen Handlungshauses Hausner und Violand und diesen Brief wieder mit der Deckadresse seines Lemberger Onkels, des Kathedralkustos Jakob von Bern6). Selbst Metternich und Gentz ver­schmähten diese Hilfsmittel der Umsturzparteien nicht. Unter verschiedenen Deckadressen — Friedrich von Berg 1820/21 und Jacques Helbling, Rentier, 1845 — empfing Metternich geheime Mitteilungen aus dem Auslande, wäh­rend sich Gentz 1810 der Deckadresse eines Dr. Göpper bediente. Auch die Briefe der Gräfin Lieven kamen Metternich unter einer Deckadresse — der des Hofrates Baron Floret — zu7). Die Gräfin Lazanzky schrieb 1812 an Maria Louise unter der Deckadresse eines Würzburger Staatsrates8) und später Graf Neipperg unter der der Baronin Mittrovsky an sie. Joachim *) A. Fournier, Geheimpolizei 454. 2) M. Weil 1. c. i, 788. 3) M. Weil 1. c. n. 881. 4) E. Corti 1. c. i, 340 f. 5) Weisung nach Florenz 32 IV 21 Toskana 37. 6) Interzept 33 II 21 Rußland 28. 7) M. W e i 1 1. c. 2, 736. 8) Interzept 12 VII 6 Hausarchiv, Interzepte.

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