J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 17. Deckadressen

Murat adressierte seine Schreiben an die Königin von Neapel an deren erste Dienstdame. Besonders groß war der Stab der Hilfskräfte, deren sich die Kaiserin Maria Ludovika zur Deckung ihrer privaten Korrespondenz bediente (S. 24 f.). Graf und Gräfin Althan, Gräfin Esterházy, Baron Erberg und Herr von Szvetics sowie eine Madame de Chiris vermittelten unter ihren Adressen den Briefverkehr der Kaiserin, während ihn der Generaladjutant des Palatins, Graf Beckers, sowie Offiziere des Generalquartiermeisterstabes oder Ordonnanzen des Palatinalhusarenregimentes auch unmittelbar besorgten 9). Namentlich die Korrespondenz zwischen der Kaiserin und ihrem Sdiwager, dem Palatin Erz­herzog Josef, wurde auf diesen Wegen vermittelt. Und so groß war die Vor­sicht, die dabei von beiden Seiten aufgewendet worden ist, daß sie sich einer fingierten Deckadresse — Josef Kaiser in Wien — bedienten, unter der sich — oft in mehrfacher Uberkuvertierung — die Briefe der Kaiserin und des Palatins verbargen10). So stak z. B. der Brief, den der Palatin am 15. Juli 1812 aus Ofen an die Kaiserin nach Teplitz schrieb, in einem — von innen nach außen gerechnet — ersten Deckumschlage an die Gräfin Althan, dieser in einem zweiten an den Grafen Althan und dieser Deckumschlag wieder in einem dritten an den fingierten Josef Kaiser in Wien11). Hurter, der bekannte Ge­schichtsschreiber, bediente sich der Adresse der Schaffhausner Buchhandlung seines Sohnes, als er im Stadium seiner Konversion und seiner Übersiedlung nach Wien mit dem österreichischen Gesandten in München, dem Konvertiten Grafen Senfft von Pilsach, und dem Staatskanzleihofrat Baron Werner korre­spondierte 12). Daß sich die in Wien beglaubigten Gesandten mit Vorliebe fremder oder fingierter Adressen bedienten, ist österreichischerseits lebhaft beklagt worden. Neben dem französischen hat sich auch der dänische Gesandte der Deck­adressen bedient; letzterer sandte in den Jahren 1811 und 1812 seine Berichte an Waitz in Hamburg. Der Gesandte Hannovers leitete auf dieselbe Weise seine Depeschen über die ihm besser zusagende Postroute durch Thüringen statt durch Sachsen. Während seines Wiener Aufenthaltes von 1812 empfing der preußische Staatskanzler Hardenberg seine Informationen aus Berlin unter der Deckadresse Nepomuk Fischer und korrespondierte selbst unter ähnlichen Deckadressen — George Best in London und Salomon Fua in Kon­stantinopel — mit englischen Staatsmännern13). Der russische Gesandte in Brüssel verbarg seine Wiener Korrespondenz unter der Adresse des Bank­hauses Bethmann in Frankfurt, der türkische in Wien unter der von Wiener Handelshäusern. Der französische Konsul in Livorno deckte mit seiner Adresse zahlreiche Privatkorrespondenzen zwischen Toskana und Nordfrankreich. Der preußische und der bayrische Gesandte in Rom suchten mittelst der Deck­adresse des Veroneser Logisten Jager um die dortige Postloge herumzukommen (S. 14). 9) Interzepte 12 VII 8, 16 Hausarchiv, Interzepte; Vortrag 12 VIII 13 Familien­akten 128; A. Sauer 1.c. 1, XXXf. 10) A. Fournier, Gentz u. d. Geh. Kab. 224 f. u) Interzepte 12 VII 15, 31 Familienakten 128, Hausarchiv, Interzepte. 12) Hurter an Werner 43 IV 4 Schweiz 319; Senfft-Pilsach an Mett. 45 I 27 1. c. 320; J. K. Mayr 1. c. 49 f. la) Interzepte 12 VII 7 Interzepte 7; Interzepte 12 III 14, 17 Hausarchiv, Interzepte. 39

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