J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)

I. Die Postlogen - 11. Die Geheime Ziffernkanzlei

fremden Ziffernschlüssel, in denen die eingesendeten Zifferninterzepte ge­schrieben waren, sowie mit schwierigeren Übersetzungsarbeiten. Diesen Oblie­genheiten entsprechend war innerhalb der verschiedenen Sprachabteilungen je eine Unterabteilung — die etwa auch noch weiter in die Spezialgruppen des Eröffnens, Lesens und Abschreibens und in die des Wiederverschließens zerfal­len konnte — mit dem „Operieren“ und Interzipieren, eine andere mit dem Ent­ziffern und mit der Herstellung von Ziffernschlüsseln für den eigenen Bedarf be­schäftigt. Für die geheime Briefchemie war ein besonderer Fachmann bestelltr’). Es waren hohe Anforderungen, die an die Beamten der Geheimen Ziffernkanzlei gestellt wurden. Außer über umfangreiche Sprachkenntnisse mußten sie über eine außerordentliche Kombinationsgabe, einen scharfen Ver­stand und einen eisernen Fleiß verfügen, um ihren Aufgaben gerecht werden zu können. Manche Dechiffreure lasen chiffrierte Briefe so geläufig wie un- chiffrierte. Auf dem Rastatter Kongreß galten die Österreicher als die ge­schicktesten 5 6). Die Eigenart dieses Dienstes bradite es mit sich, daß die De­chiffreure gleich den Postlogisten ebenso auf Rang und Titel und die Auf­zählung im Staatskalender verzichten mußten wie auf gesellschaftlichen Umgang und alle sonstigen Vergnügungen. Sie waren dafür von allen Steuern und Gehaltsabzügen befreit, hatten stets unmittelbaren Zutritt beim Mon­archen und reichen Anteil an allerlei Aushilfen, Darlehen und Beiträgen, auch höhere Pensionssätze. Bis in die ersten Regierungsjahre des Kaisers Franz wurde die Reinheit der Grundsätze des in stiller Verborgenheit gleichsam unter den Augen des Kaisers arbeitenden Ziffernpersonals aufs höchste be­wertet; keine Sorgfalt erschien zu groß und jede Auslage als ein Gewinn für den Staat. Auf die Auflösung fremder Ziffernschlüssel, der sich jeder Beamte alle zwei Wochen ungestört widmen konnte, waren Belohnungen bis zu 1000 fl. gesetzt. Jede Erstlingsarbeit wurde doppelt honoriert, Auflösungsremunera­tionen selbst bei der Erbeutung eines fremden Ziffernschlüssels ausbezahlt. Ein geschickter und fleißiger Dechiffreur konnte es auf Remunerationen im Gesamt­beträge seines Jahresgehaltes bringen. Für die Kenntnis des Englischen, Spani­schen, Polnischen, Griechischen und Illyrischen wurden Sprachgratifikationen — 500 fl. für jede neuerlernte Sprache — gewährt. Die Lernbehelfe wurden beigestellt, die Sprachstunden vergütet. Dabei blieb es, bis Hofrat Kronenfels damit begann, die Beamten der Geheimen Ziffernkanzlei auf das allgemeine Gehaltsniveau der Staatsbeamten herabzudrücken, ohne sie jedoch an der ge­sellschaftlichen Stellung derselben teilnehmen zu lassen. Dadurch wurde die alte, „brüderlich klaustrale“ Abgeschiedenheit der Geheimen Ziffernkanzlei durch­brochen und zugleich die Qualität ihrer Leistungen erheblich herabgesetzt. Bald wurde auch das Begehren nach der Aufnahme in den Staatskalender und nach der Gewährung einer Uniform laut7). Mit aller Kraft hat sich Metter­nich diesem Verweltlichungsprozeß entgegengestemmt und mit der Wieder­aufnahme der alten Gratifikationen — 50—1000 fl. für jeden aufgelösten Ziffernschlüssel — auch die alte Tradition wiederherzustellen versucht8). Von all den zahlreichen Beamten der Geheimen Ziffernkanzlei oder der Postlogen der Metternichzeit — sie lassen sich nicht immer genau auseinander­5) Memoire (Anm. 4 S. 4). e) E. Castle 1. c. 496 f.; A. Fournier, Geheimpolizei 6. 7) Vortrag 16 XII 14 Vorträge 303. 8) Vortrag 17 XI 25 (Anm. 24 S. 16). *9

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