J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 3. Metternichs geheimer Briefdienst. Postlogen und Postkurse (1935)
I. Die Postlogen - 3. Räucherung der Briefe - 4. Die Postlogisten
ten. Größere Verspätungen zogen lebhafte Beschwerden nach sich, so etwa (1824) eine des preußischen Gesandten, die sich auf eine Stafettenverspätung von 23 Stunden bezog. 3. Räucherung der Briefe. Den Postlogen vergleichbar waren die in Venedig, Triest und Zara eingerichteten Briefräucherungsanlagen der Seesanitätsbehörden, die die zu Wasser aus dem Orient einlangenden Briefe eröffneten, desinfizierten und, mit ihren Kontumazsiegeln verschlossen, an die Postämter weiterleiteten. Das stieß auf den Widerstand der fremden, namentlich der französischen und russischen Konsularagenten, die dem Räucherungsverfahren ferne gehalten wurden und den Umweg über die Postämter als eine unbegründete Verzögerung der Briefzustellung beargwöhnten. Größerer Rechte erfreuten sich die in Triest stationierten Konsularvertreter Bayerns und Griechenlands bei der Behandlung der aus Griechenland einlangenden Briefschaften. Die Choleraepidemie des Jahres 1831 hat die Briefräucherung auch auf verschiedene Inlandstationen — darunter Sémiin und Wien — ausgedehnt. Mit eisernen Zangen wurden die Briefe geöffnet, in Schachteln geräuchert, Briefumschläge und Räucherschachteln verbrannt. So wurde es damals in der Staatskanzlei gehalten. Andere Räucherstellen mußten sich mit dem Durchstechen der geschlossenen Briefe begnügen1 2). 4. Die Postlogisten. Mehr als von Organisation und Einrichtung der Postlogen hing der Ertrag derselben von der Qualität der darin tätigen Logisten ab, von ihrer Ehrlichkeit, ihrer Intelligenz, ihrem Eifer und nicht zuletzt von ihren Sprach- kenntnissen. Nicht selten lagen — wie im Frankreich Ludwigs XV. — Wohl und Wehe von Freund und Feind ganz in der Hand der Logisten; ungesehen und unkontrolliert, wie sie waren, konnten sie die Auswahl der Briefinter- zepte nach solchen Grundsätzen treffen. Kübeck und Hormayr') berichten von „subornierten“, d. h. verfälschten oder erfundenen Interzepten. Ein heiliger, in die Hände des Direktors der Geheimen Ziffernkanzlei abgelegter Eid verpflichtete die Postlogisten zu ewigem Stillschweigen. Mißbräuche konnten nicht durch die ordentlichen Gerichte, sondern nur im Disziplinar- wege bestraft werden. Auch gab es zur Hintanhaltung gefährlicher Indiskretionen daneben noch „un danger d’un autre espéce“, vor der sich selbst die Minister in acht zu nehmen hatten8). Je unsichtbarer die Logisten nach außenhin waren — sie standen weder im Amtskalender, noch konnten sie durch Titel und Orden ausgezeichnet werden —, um so reichlicher waren ihnen Gehälter, Remunerationen und Quartiere zugemessen. Im Wiener Obersthofpostamte wie in den Postlogen der Provinzen gaben sich die Delegierten der Geheimen Ziffernkanzlei als Postbeamte aus, die unter dem Vorwand unerwartet eingetretener Geschäftsvermehrungen als Hilfskräfte zugeteilt waren3). Meist wurden die Postlogisten dem Postpersonal — zumal 1) Instruktion 31 VIII 4 Interiora 2; Weisung für die Kuriere 31 IX 5 1. c. 58. *) K. Kübeck, Tagebücher 1/2, 319; J. Hormayr 1. c. 7s; Lebensbilder I, 299; Varnhagen, Bilder 4, 104. 2) Mett, an Pralormo (Anm. 2 S. 3); E. Castle 1. c. 512. 3) Memoire (Anm. 4 S. 4); Vorträge 21 I 17, 29 II 22 Vortage 330, 378. 9