J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

I. Das Gebäude der Staatskanzlei

I. Das Gebäude der Sfaatskanzlei. Das Staatskanzleigebäude auf dem Ballhausplatze, eine Schöpfung Johann Lukas’ von Hildebrand aus den Jahren 1717—1719 und 1768 von Nicolo Pacassi umgebaut, gliederte sich zu Metternichs Zeiten in drei Stock­werke, unter denen das Erdgechoß und zwei Kellergewölbe lagen. Da sie Metternich mit seiner ganzen Familie bewohnte, war die Staatskanzlei halb Amts-, halb Wohngebäude 1). Im Keller mag der Rheinwein vom Johannis­berge eingelagert gewesen sein. Im Erdgeschoß befanden sich die fürstliche Küche mit der Zuckerbäckerei und zahlreiche Stallungen und Wagen­schuppen. 1846 umfaßte der fürstliche Marstall nahezu dreißig Pferde, die arabischen Hengste nicht mitgerechnet, die in den kaiserlichen Hofstallungen standen. Im Erdgeschoß der Staatskanzlei hatten Hausoffizier und Haus­knecht, Koch und Kutscher ihre Unterkünfte. Das erste Stockwerk war den Beamten der Staatskanzlei eingeräumt. Auf dem linken Flügel lagen die politische Registratur und das politische Expedit, das Ziffernkabinett und die sogenannte alte Registratur, auf dem rechten das administrative Expedit, die Amtsbibliothek, die Registratur der Kanzlei des Maria Theresienordens, das administrative Einreichungsprotokoll, die neue (administrative) Regi­stratur und das Zimmer des Türhüters. Sprechzimmer für den Parteien­verkehr und Aktenlesezimmer für die ins Ausland abgehenden Diplomaten befanden sich auf beiden Flügeln dieses Stockwerkes. In diesen Räumen hatten die Staatskanzleibeamten von den Hofräten bis zu den Offizialen ihre Arbeitsplätze. Selten nur, daß einer ein Zimmer für sich allein inne­hatte. Meist saßen sie dicht gedrängt, zumal die Offiziale, in ihren Büros. Hinter dem ersten Hofe lag, unkenntlich nach außen hin, die Hauskapelle. Ein Stiegengang verband beide Expedite. Aus dem politischen Expedite führte eine Wendeltreppe in das zweite Stockwerk empor. Hier lagen die Repräsentationsräume des Fürsten, ein großer Empfangs­saal, der Livreesaal, ein blauer Gesellschaftsraum, ein grüner Empfangs­salon mit Lyoner Tapeten, ein weiß stukkierter Säulensalon, ein großer und ein kleiner Speisesaal mit rotseidenen Möbeln, das Arbeitszimmer, die Privatbibliothek und das Audienzzimmer sowie die Schlafzimmer des Fürsten und der Fürstin. Anschaulich hat uns Metternich diese Räume, die er mit den Seinen vom Herbst bis Mitte Mai zu bewohnen pflegte — knapp vor seinem Geburtstage, dem 15. Mai, zog er sich zumeist in sein Landhaus auf den Rennweg zurück —, in seinen Briefen geschildert. Sie *) *) 09 XI 13 Organisierung Interiora 1; 09 XI 23 Mett, an Hudelist Interiora 74; 09 XI 23 Bericht Radermachers Frankreich, Varia yy, 16 VIII 27 Organisierung Interiora 2; 20 XI 28 Note an Hofkammer Interiora 11. 7

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