J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
III. Die Organisation der Staatskanzlei - 5. Die Hilfsämter
a) Das Amt. So wie das Expedit zerfiel — der Zweiteilung der Staatskanzlei entsprechend — auch die Registratur in zwei vollständig voneinander getrennte Gruppen, in eine geheime oder ministerielle Registratur und in eine allgemeine, auch kurrente oder neue Haupt- oder Kanzleiregistratur. Das war erst 1793 so eingerichtet worden, nachdem es seit 1768 nur eine einzige, gemeinsame Registratur gegeben hatte. Die Wichtigkeit, die man den Pariser, St. Petersburger, Londoner und Berliner Korrespondenzen beimaß, bedingte eine größere Geheimhaltung derselben, wobei man die sogenannten Parteisachen ausschied, andere, ebenso unpolitische Angelegenheiten aber doch wieder einer geheimen Verwahrung unterzog. Das Vorwalten dieses Grundsatzes mußte bald beide Registraturen — die geheime und die allgemeine — in Verwirrung bringen381). Nicht selten lag der Anfang eines in sich geschlossenen Verhandlungsaktes in der einen, das Ende in der anderen Registratur, die eine Hälfte einer Ministerial- korrespondenz in dieser, die andere Hälfte in jener Registratur, der geringfügigste Gegenstand in der geheimen, der politisch wichtigste in der allgemeinen Registratur oder gar im Schranke eines Hofrates verborgen. Und flößten die Beamten der allgemeinen Registratur kein Vertrauen ein, warum entfernte man sie dann nicht? Hatte nicht zuweilen die Korrespondenz mit Konstantinopel größere Bedeutung als die mit Berlin, wie wichtig war doch zuweilen die Korrespondenz mit München, wie bedeutsam konnte nicht die mit Stockholm werden? Alle diese Umstände, die der Teilung der Registratur widersprachen — die unzureichende Verantwortlichkeit der Registratoren, der Mangel jeglicher Gewißheit, die Gefahr des Verlustes u. a. m. —, sind von Metternich wohl gewürdigt, die Wiedervereinigung der Registraturen aber, wie sie „in der glänzendsten Epoche der Staatskanzlei unter Kaunitzens Leitung“ bestanden hatte, dennoch nicht ins Werk gesetzt worden 382). In dem oben umschriebenen Rahmen, der sich erst allmählich über die Korrespondenzkreise von Paris, St. Petersburg, London und Berlin hinaus erweitert hat, ist die geheime Registratur — zeitweilig, so 1841, wie es scheint, in zwei getrennten Lagerräumen — geführt worden 383). Eine Übersicht aller Akten nach der Einteilung in Kästen, wie sie 1809 geplant war, ist anscheinend nie zustande gekommen. Selbst die Tagebücher der einlangenden und abgehenden Aktenstücke sind nur lückenhaft geführt worden. 1846 war nur das administrative Exhibiten- protokoll (Einlaufbuch) im Gange, von dem politischen aber noch 1849 „nicht die entfernteste Spur vorhanden“ 384). Besser verhielt es sich seit 1819 mit den Sachprotokollen der Weisungen, Berichte und Vorträge, die als „politische Tableaux“ gedacht waren, und mit dem alphabetischen 381) 22 II 7 Vorschläge Stürmers Interiora 2. 382) (1811) Organisierung Interiora 2; 22 IV 27 Resolution Mett.s 1. c. 383) Vgl. zum Folgenden die betreffenden Abschnitte des in Arbeit stehenden Führers durch die Bestände des Haus-, Hof- und Staatsarchivs. 384) 46 IV 23 Geschäftsordnung Interiora 3; 49 I 9 Gutachten Werners, Polit. Arch. Organis, d. Minist, d. Ä. 1849—80. B. Die Registratur. 5* 67