J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei - 3. Sonderreferate

An Gentzens Stelle, dem unten ein besonderer Abschnitt gewidmet ist, ist der preußische Konvertit Karl J a r c k e 257) — Universitätsprofessor in Berlin — in den Pressedienst der Staatskanzlei berufen worden. Er hatte sich schon 1830 durch einige Wochen in Wien aufgehalten und war 1831 auf Gentzens Betreiben für seine Schrift über die Pariser Revolution von 1830 — das erste Produkt seiner politisch-literarischen Tätigkeit — durch die große goldene Medaille ausgezeichnet worden 258). Nun trat er nach Gentzens Tod als k. k. Rat und Staatskanzleipublizist an dessen Stelle. Die Regierung bedurfte eines „kräftigen Verteidigers von Recht, Altar und Thron“, um sich in jedem Augenblick direkt oder indirekt öffentlich über die politischen Verhältnisse aussprechen zu können. Daß dies wieder ein Ausländer sein sollte, gab Metternichs Widersacher Graf Kolowrat Gelegen­heit zu beißenden Glossen: es wäre betrüblich, daß in der ganzen Mon­archie kein würdiger Nachfolger Gentzens gefunden werden konnte, und würfe auf die diplomatische Karriere und den Dienst bei der Staatskanzlei kein gutes Licht 259). Jarcke hat Gentzens Stelle bis 1848 bekleidet. Viele „Entwürfe, Gutachten, Denkschriften, Patente, Zeitungsartikel und über­haupt das meiste, was zur Veröffentlichung bestimmt war“, ist während dieser Zeit aus seiner Feder geflossen. Auch als Vortragender ist er aufge­treten 26°). Metternich fand an dem „ruhigen und klugen Geiste“ Jarckes Gefallen, wenn er ihn auch nicht so hoch einschätzte wie dessen Vorgänger. Jarckes Verwendung erstreckte sich nicht nur auf das Feld der politischen Publizistik 261), sondern auch auf das Gebiet der politisch-religiösen Zeit­fragen, der Ausweisung der Zillertaler Protestanten, der Unterdrückung der Hermesianischen Partei, der Regelung der gemischten Ehen in Ungarn, die Jarcke 1840/41 auch nach Rom führte 262), der Angelegenheit des Kölner Dombaues und der kirchenfeindlichen Haltung der Pariser Universität, endlich auch — 1846 — auf die Angelegenheiten des Bauernaufstandes in Galizien und der Einverleibung Krakaus. Gleich Gentz hat auch Jarcke Beziehungen zur Allgemeinen Zeitung unterhalten, jedoch, wie es scheint, nur mit Vorwissen Metternichs 263). Nebenbei leitete er von Wien aus bis 1837 das 1831 gegründete Berliner politische Wochenblatt und seit 1839 die Münchener Historisch-politischen Blätter. 1842 erhielt Jarcke den Titel eines Staatskanzleirates und angesichts seiner „eminenten Kenntnisse und Fähigkeiten“ eine geheime Gehaltszulage von 1000 fl. Inwieweit sich der Dienstverband, in dem der Württemberger Wilhelm Christian Binder als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Staatskanzlei gestanden ist, auch auf 257) C. Wurzbach 1. c. 10, 95; Alig. Deutsche Biogr. 13, 711; H. v. Srbik 1. c. i, 522. 258) 31 V ii Vortrag Deutsche Akten 147 (alt). 2r'9) Zu Mett.s Vortrag von 32 VI 16 Minister Kolowratakten Zahl 1397/1832. — Daß sich Beidtel um die Stelle bewarb, erzählt er selbst (Beidtel-Huber 1, XXXIII). 26°) 48 XI 15 Jarcke an Senfft-Pilsach Bayern, Varia 19; S. Brunner, Woher 2, 191 f. 261) 36 IV 23 Jarcke über die Gründung eines literarischen Büros Deutsche Akten 149 (alt). 282) G. Turba, Denkschriften Mett.s und Jarckes über Ungarn 1841 (Hist.-poli- tische Blätter 135). 283) 46 VIII 13 Jarcke an Mett. Interiora 91; E. Heyck 1. c. 245. 48

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