J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
III. Die Organisation der Staatskanzlei - 3. Sonderreferate
C. Presse. Klarer als viele seiner Zeitgenossen hat Metternich die aufbauende und zerstörende Kraft der Presse erkannt 222). Sie war ihm eine Gewalt, die — präventiv und nicht repressiv — der Regelung bedurfte. Metternich hat sich selbst rege an der politischen und wissenschaftlichen Journalistik beteiligt. Er leitete die außenpolitischen Artikel der inländischen Zeitungen und verstand es, sich auch in vielen ausländischen Zeitungen oder Zeitschriften Gehör zu verschaffen. In Kriegszeiten — so 1813 — suchte er durch offiziöse Broschüren auf die Hebung der Volksstimmung hinzuwirken. Das ging nun freilich noch nicht von einer zentralen Pressestelle der Staatskanzlei aus und auch das Zeitungsbüro, das Metternich geplant hatte, ist nicht zustandegekommen. So muß sich diese Skizze mit einer Übersicht der von- seiten der Staatskanzlei beschickten — z. T. auch unterstützten — in- und ausländischen Organe und mit einer Aufzählung jener Personen begnügen, die Metternich in den Dienst dieser Aufgaben stellte. Da ist vor allem der österreichische Beobachter 223) zu nennen, der die österreichische Zeitung fortsetzte und vom 1. Jänner i8ri an täglich erschien 224). Seine Aufgabe war, alle ausländischen Nachrichten so rasch und so vollständig zu bringen, daß dadurch die ausländischen Blätter, denen man durch die Herstellung zensurierter Nachdrucke nicht hatte beikommen können 225), wie von selbst entbehrlich wurden. Auch brachte er — jedoch „ohne allen offiziellen Anschein“ — alle Regierungskundmachungen mit den dem österreichischen System entsprechenden Ansichten der politischen Begebenheiten 228). Im Auslandartikel stand der österreichische Beobachter der amtlichen Wiener Zeitung so weit voran, daß sich diese mit der Übernahme seiner Meldungen begnügen mußte, während sie im Inlandartikel vor diesem das Feld behauptete. Dennoch sank die Abnehmerzahl des österreichischen Beobachters schon während der ersten acht Jahre seines Bestandes auf weit unter die Hälfte herab, so daß Metternich Gefahr zu laufen fürchtete, sich um ein ungelesenes Blatt zu bemühen. Der Wiener Zeitung 227) hat der Staatskanzler ein erheblich geringeres Interesse entgegengebracht. Er besaß ja schon im österreichischen Beobachter das der Staatskanzlei verpflichtete öffentliche Organ und glaubte daher, der an die Ghelenschen Erben verpachteten Wiener Zeitung nicht in gleichem Maße zu bedürfen. Auch der alte Fürst Metternich, der den Sohn während seiner Pariser Mission von 1810 in der Leitung der Staatskanzlei vertrat, hat diese Gelegenheit zu großzügigen, die Wiener Zeitung beiseiteschiebenden Entwürfen benützt: ein sorgfältig eingerichtetes literarisches Büro hatte alle, die inneren und äußeren Verhältnisse der Monarchie betreffenden Daten zu sammeln und ein österreichischer Anzeiger führte sie — unter der unmittelbaren Aufsicht und Verantwor222) H. v. S r b i k 1. c. i, 516 ff.; Nagl-Zeidler-Castle 1. c. 2, 852 ff. ***) E. Zenker, Gesdi. d. Wiener Journalistik 104. 224) 09 XII i Schlegel an Mett. Wissenschaft etc. 7. 225) ii IV ii, V 30 Vorträge 278. 22<l) 10 VII 1$ Referat Lebzelterns Wissensdiaft etc. 7. 227) Zur Geschichte der Wiener Zeitung; A. Winkler, Gentz u. d. Wiener Zeitung (Festschrift von 1928) 62 ff. und Zur Gesch. d. österr. Zeitungswesens (Wiener Zeitung vom 4. i. 1931). 43