J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
III. Die Organisation der Staatskanzlei - 1. Die auswärtige Abteilung
Kongreßbüro, bei dem die Gesandten ihre Vollmachten hinterlegten37). Den deutschen Angelegenheiten diente ein von erprobten Kennern der Reichsverfassung beschicktes deutsches Komitee, das alle deutschen Fragen zu prüfen, darüber Auskünfte zu geben und Ausarbeitungen zu liefern hatte. Es setzte sich aus dem ehemaligen Reichsreferendar Baron Frank, aus Radermacher und Hofrat Baron Spiegel zusammen. Den Sonderfragen der territorialen Neuordnung Europas diente ein statistisches Büro, in dem neben dem bekannten Völkerrechtler Georg Friedrich Martens Wessenberg, Wacken und der österreichische Regierungsrat Paul von Handel saßen 38). Beide Kongreßbüros haben sich im Rahmen der auswärtigen Abteilung der Staatskanzlei forterhalten. Das deutsche Büro wurde innerhalb der ersten Sektion von Hofrat Baron Spiegel, später von Hofrat Baron Kreß und Legationsrat Baron Kalkhoff gebildet. Es behandelte — im Referate getrennt, in den Beamten vereinigt — die Angelegenheiten des Frankfurter Bundestages und die einschlägige Korrespondenz mit den deutschen Höfen mit Ausnahme der politischen. 1822 hatte Hofrat Baron Kreß die erste, Hofrat Graf Münch die zweite Geschäftsführerstelle inne. Das statistische Büro lag seit 1800 in den Händen eines Privatmannes, des Freiherrn Josef Max von Liechtenstern, der der Staatskanzlei nicht nur als Kriegskonfident, sondern auch als trefflich unterrichteter und reichlich ausgestatteter statistischer Experte — er setzte sein ganzes Vermögen daran — mit seinen Werken, Karten und Tabellen diente39). Erst 1818 hat Metternich die Einrichtung eines selbständigen, der Staatskanzlei angegliederten statistischen Büros ins Auge gefaßt. Im Sommer 1821 wurde Hofrat Hammer, der bekannte Orientalist, zum Studium des preußischen statistischen Büros nach Berlin entsendet. Da es aber — gleich dem bayrischen, französischen und spanischen Institute — mehr für das Innere berechnet war und der von Metternich gewünschten „Tabellen der Staatskräfte fremder Mächte“ ermangelte, hat Hammer den Plan selbständig ausarbeiten müssen. Er legte dabei außer auf die Erfassung der Verhältnisse der fremden Staaten — aus sichersten Quellen und in bündigsten Tafeln — auch auf die genaueste Kenntnis des finanziellen, militärischen und administrativen Zustandes des Inneren besonderen Wert. Das Amt sollte der ersten Sektion angegliedert werden und aus einem Hofrat, einem Hofsekretär und zwei Offizialen bestehen. Es verfügte über eine Registratur, eine Bibliothek, eine Sammlung von Zeitungen und Zeitschriften und eine Kartenabteilung. Der Jahresaufwand sollte 1000 Dukaten betragen 40). So aber, wie sich Hammer sein statistisches Büro einzurichten gedachte, ist es nie ins Leben getreten. Wir kennen die Ursachen nicht, die seinen Plan zum Scheitern brachten. Mehr als zehn Jahre später hat Metternich den Paduaner Professor Balbi, den ersten Statistiker seiner Zeit, nach Wien berufen 41). Balbi sollte in außerordentlichen Diensten der Staatskanzlei stehen und ihr die statistischen Daten über das Ausland, dem Staatsrat und dem Generalrechnungsdirek37) 14 XI i, 4 Declaration und Protocoll Kongreßakten 1. “) 14 X 12 Attestat für Handel Personalia 8; 14 XII 22, 24 statistisches Büro Kongreßakten 9, 22. 3“) 20 IV 29 Vorträge 326. 40) 21 VIII 12 Hammer an Mett. Interiora 10. 41) österr. Nat. Encykl. i, 168 f.; 6, 354; C. Wurzbach, Biogr. Lexikon 1, 130. 15