J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
V. Gentz und Metternich - 2. Metternich
fahrungen, die Hof rat Werner während seiner langen Dienstzeit machte: alle wichtigeren politischen Depeschen pflegte der Staatskanzler selbst zu entwerfen 834). In demselben Sinne hat sich dieser auch 1834 zu Varnhagen geäußert. Demgemäß war es, wie Depont 1825 klagte, sehr schwierig, Metternichs Aufmerksamkeit auf rein administrative Gegenstände zu lenken. In welcher Weise sich seine Anteilnahme an den Geschäften praktisch ausgewirkt hat, wird unten noch näher dargelegt werden. Hier sei die Tatsache vorweggenommen, daß Metternich die erste Lektüre der eingelaufenen Berichte vielfach durch seine vertrauten Mitarbeiter — durch Mercy z. B. oder Gentz — vornehmen ließ, die ihn dann mit den wichtigeren Teilen ihres Inhaltes bekanntmachten. „Euer Durchlaucht Aufmerksamkeit würdig ist nur der Bericht . . .“, „Je prie V. E. de lire ce rapport: il est temps que la diéte (de Preßbourg) finisse“ — mit Notizen solcher Art versehen pflegten Gentz oder Mercy Metternich die Berichte zur Kenntnis zu bringen 83ä). Auch die Fürstin Melanie scheint in den Geschäftsgang eingegriffen zu haben. Sie las, wie Gentz klagte, alle Weisungen und öffnete sogar die Berichte. Manche Depeschen las ihr Metternich selbst vor, andere diktierte er ihr in die Feder. Auch Briefe hat sie für ihn abgeschrieben 838). Charakteristisch für Metternichs Arbeitsweise war die oben erwähnte, die ganze Staatskanzlei in Mitleidenschaft ziehende Gepflogenheit, die Aktenarbeit in die späten Abendstunden zu verlegen, was für Referenten und Reinschreiber eine lästige Verlängerung ihres Kanzleidienstes bedeutete 837). Ein kaiserliches Kabinettsschreiben vom Jänner 1807, das 1816 aufs neue in Kraft gesetzt wurde, erkannte Metternich bezüglich der Anstellungen und Gehaltsvorrückungen der Staatskanzleibeamten, ihrer Zulagen, Aushilfen, Urlaube und Pensionen ein weitgehendes Verfügungsrecht zu 838), das sie ihm, besonders die „leidenden, sich ganz hingebenden Organe“, lieb und wert machte. Krankheit und Ableben des Registrators Johann Böhm und des Hofkonzipisten Straub, des Sohnes eines Türhüters, hat Metternich mit „wahrem Anteile“ verfolgt 839). Die unteren Beamten waren es ja auch, die Metternichs Rücktritt am aufrichtigsten beklagt haben. Das gespannte Verhältnis, in dem dieser zu Kolowrat stand, hat es nicht verhindern können, ra eher begünstigt, daß sich einzelne Staatskanzleibeamte, die damit wohl auf dessen besonders angespornten Diensteifer zählen mochten, in Beförderungsangelegenheiten u. dgl. unmittelbar an Kolowrat wandten 84°). Neben dem Ministerialbüro, wie die unmittelbar von Metternich geleitete auswärtige Abteilung genannt wurde, bildete sich dieser ein M i n i- sterialkabinett aus, das nach einem späteren Urteile des Hofrates Werner, der ihm selbst nahegestanden war, seine Bestimmung verkannte und überschritt. Als erster in diesem Kreise ist Josef P i 1 a t zu nennen, den ***) 49 I 9 Gutachten Werners Polit. Arch., Organis, d. Minist, d. Ä. 1849—80. 835) 23 X i brasilianische Depeschen Brasilien 8 b; 27 IV 28 Bericht aus Preßburg Ungarn, Comitialia h. ***) Aus den Tagebüchern des Grafen Prokesch-Osten 84; Aus Mett.s nachgel. Papieren 5, 103, 568; 6, 9. 837) H. v. Srbik 1. c. 1, 253. 838) 14 VIII 12 Vorträge 288. 839) 41 IX 6 Ottenfels an Mett. Interiora 89. M0) 46 XII 13 Josef Huszár an Kolowrat StConferenz (Ca) 149/1846. 144