J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)
V. Gentz und Metternich - 1. Gentz
Brockhausens Konversationslexikon — einen „der witzigsten und glücklichsten Gedanken“ — u. a. m., Rechnung 7B9). Am meisten aber machte er sich um das aufstrebende, in mehreren Zweigstellen über Europa verteilte Bankhaus durch seine diplomatische Berichterstattung verdient, die in der Tat, wie die Proben der Jahre 1828—1831 erkennen lassen, an Raschheit und Zuverlässigkeit kaum mehr überboten werden konnte. Nicht mit Unrecht hat sich Gentz Prokesch gegenüber als Agenten des Hauses Rothschild bezeichnet, das ihn mit 10.000 fl. jährlich bedachte, und der Wiener Vertreter desselben Gentzens Tod als einen unersetzlichen Verlust empfunden 78°). Es entsprach dieser Vorzugsstellung Gentzens, daß ihm die Privatkuriere der Rothschild stets zur Verfügung standen, daß sich diese — so in der Frage der Gehaltsregelung von 1830 — bei Metternich für ihn verwendeten, daß sie ihm durch den Ankauf silberner Service u. dgl. aus augenblicklichen Geldverlegenheiten halfen und daß sie ihn an ihren Finanzgeschäften teilnehmen ließen. In Unternehmungen ähnlich fruchtbringender Art hat sich Gentz auch mit Herz, Eskeles und Parish eingelassen 761). Seine Spekulationspapiere hat er im Dezember 1831 verbrannt, in seinen Tagebüchern aber unmißverständlich auf gezeichnet, welch großen Anteil er an dem Aufstiege des Hauses Rothschild genommen hat. C. Arbeitsweise. So sicher sich Gentz in der Gesellschaft bewegte und so gierig er allen Genüssen des Lebens nachjagte, so langsam, ja schwerfällig arbeitete er am Schreibtische. Erst überlegte er meist einige Tage, ehe er bedächtig und sorgfältig mit der Ausarbeitung begann, so daß Metternich darüber nidit selten die Geduld verlor 762). Zudem pflegte Gentz vorwiegend zu Hause und nicht in der Staatskanzlei zu arbeiten, was ihm wohl Metternich nachgesehen hat, Hudelist und Stürmer aber nur widerwillig gestattet haben. Gewiß mit Recht, wenn man bedenkt, daß Gentz die Ziffernschlüssel in seine Wohnung mit sich nahm und seine Korrespondenz zuweilen sogar in Fanny Elßlers Boudoir erledigte 763). Diese vorwiegend häusliche Arbeitsweise brachte es mit sich, daß Gentz mehr als andere privater Hilfskräfte bedurfte, die er aus eigenen Mitteln bezahlen mußte. So ließ Gentz 1812 den Sohn des Türhüters Stix für sich arbeiten, einen unbehilflichen Schreiber, der ihm allerlei Verlegenheiten bereitete 764). Auch dessen Vater hat Gentz ins Vertrauen gezogen. Er ließ durch ihn seinen Gehalt beheben und verwendete ihn im besonderen zur heimlichen Beförderung seiner an die Hospodare der Walachei gerichteten Korrespondenzen, sowie zu vertraulichen Auskünften über Gang und Behandlung der Kurierpost u. a. m. Hudelists Aufmerksamkeit sind freilich beide nicht entgangen, da dieser Gentzens verdächtig umfangreiche Korrespondenzpakete interzipieren ließ und den Türhüter Stix durch heim7M) L. Assin g 1. c. 4, 164; Briefwechsel zw. Gentz u. A. Müller 267; G. S c h lesi e r 1. c. s, 113. 76°) Aus dem Nachlaß Fr. v. Gentz 1, 124 ff.; Aus den Tageb. d. Gr. Prokesch- Osten 58; E. Vehse, Gesch. d. österr. Hofes 10, 76. 761) L. A ss ing 1. c. 2, 14, 39, 200, 270, 432; H. Eckardt 1. c. 2, 261. 762) K. Varnhagen, Denkwürdigkeiten 8, nof., 141. 76S) L. Assing 1. c. 2, 95; Fournier-Winkler 1. c. 199. 764) 12 VI 16 Hudelist an Mett. Interiora 74. 133