J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

III. Die Organisation der Staatskanzlei

III. Die Organisation der Staatskanzlei26). Zu den Besonderheiten, die die Staatskanzlei seit Kaunitz von den Hof­stellen unterschied, gehörte der Mangel einer Kollegialverfassung mit Rats­sitzungen und Abstimmungen. Jeder ihrer höheren Beamten hatte einen selbständigen, bloß vom Gutdünken des Ministers abhängigen Wirkungs­kreis. Er arbeitete also „eigentlich nur dem Minister zu Händen“, der allein verantwortlich war und in jedem einzelnen Falle — auch gegen die Ansicht seiner Referenten — entschied. Dem entsprechend machte Metternich zwischen den Benennungen „Präsident“ und „Minister“ einen großen Unter­schied: jener war lediglich Vorsteher eines Beamtengremiums, diesem hin­gegen kam „die nötige höchste Stufe der Responsibilität“ 27) zu. Auch sollte es in der Staatskanzlei keine festumrissenen Referate geben und es nie­mandem außerhalb derselben bekannt sein, wer die Arbeiten und welche er versah. Die Staatskanzlei zerfiel — von Metternichs Ministerialkabinett 28) abgesehen — in eine auswärtige und eine inländische Abteilung. Dieser Zweiteilung war, wie oben erwähnt, auch räumlich Ausdruck verliehen. Und je mehr sich im Laufe der Zeit die inländische Abteilung erweiterte und je mehr sie sich zu einer „großen Agentschaft“ für die ganze Monarchie gegenüber dem Auslande entwickelte 29), um so bedrohlicher klafften beide Abteilungen, die schon um 1830 als zwei vollkommen getrennte Kanzleien gelten konnten, auseinander. Und je mehr zugleich auch der Zusammen­hang zwischen den einzelnen Referenten innerhalb derselben dahinschwand, um so eifriger suchte Metternich die Fäden vermöge eines ihm unmittelbar unterstellten, beide Abteilungen leitenden — jedoch erst nach 1848 er­nannten — Unterstaatssekretärs zusammenzuhalten und nicht nach oben hin abreißen zu lassen. Systemlos aber und ohne alle Rücksicht auf die ihr unbekannten materiellen Interessen des Staates — so hat Baron Werner rückschauend die Verhältnisse geschildert30) — ging die auswärtige Abteilung ihren Gang und blind und furchtsam tappte die inländische Abteilung in voller Unkenntnis der politischen Richtung voran. 2 2I)) österr. Nationalencyklopädie 2, 283. 27) 1817 Vorschläge Mett.s Kaiser Franz-Akten 82; um 1844 Memoire Hübners Nachlaß Depont 1; vgl. J. Beidtel-Huber, Gesdi. d. österr. Staatsverwaltung 2, 16 f. 2S) Siehe S. 144 ff. 29) 44 III 22 Vortrag Interiora 3. *®) 49 I 9 Gutachten Werners Polit. Arch., Organis, d. Minist, d. Ä. 1849—80. 13

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