J. K. Mayr: Inventare Teil 5. Band 2. Geschichte der österreichischen Staatskanzlei im Zeitalter des Fürsten Metternich (1935)

IV. Der Beamtenkörper der Staatskanzlei - 3. Materielle Verhältnisse

nicht mehr geneigt, die „Masse von Arbeit und Schreibereien“, die solche Vermählungen mit sich brachten, für eine außergewöhnliche Leistung der Hof- und Staatskanzlei zu halten, obwohl der sardinische Gesandte den alten Brauch, wie er selbst bei Privaten bestand, nach Kräften verteidigte 690). Ebenso wie die Vermählungsgeschenke je nach dem Range der Höfe und Persönlichkeiten wechselten, waren die Kanzleipräsente bei Staatsver­trägen je nach dem Range der Vertragspartner und der Bedeutung der Abmachungen verschieden abgestuft 691), wobei sich die größeren Höfe nach den weniger leistungsfähigen kleineren zu richten pflegten. Von den deutschen Höfen stand Preußen mit Kanzleipräsenten von 1000 bis 2000 Dukaten an der Spitze, die übrigen hielten sich an den Durchschnittssatz von 500 Dukaten. Dem Wiener Kongresse widmeten sie je 50 Dukaten, etwas mehr den Wiener Konferenzen des Jahres 1820. Bis zu 2000 Dukaten gingen England, das 1815/16 über 25.000 Pfund (das sind über 250.000 fl.) hiefür verausgabte, Frankreich, Spanien, Rußland und die Türkei. Tausend Dukaten und darunter gaben Schweden und die Niederlande, Sardinien und Toskana. Auch Neapel hielt sich im allgemeinen auf dieser Stufe, die es allerdings einmal — 1823 — angesichts der Mehrarbeit, die es der öster­reichischen Staatskanzlei auf den Kongressen von Troppau, Laibach und Verona verursacht hatte, durch das Riesen präsent von 4000 Dukaten um mehr als das Vierfache überboten hat 692). Am sparsamsten war die Kurie, die sich — von dem Wiener Kongreßpräsent von 800 Dukaten abgesehen — zwischen 200 und 20 Dukaten bewegte. In der Regel wurden die Kanzleipräsente von Fall zu Fall sogleich in Dukaten wechselseitig entrichtet. In bedrängten Zeiten behalf man sich zur Schonung der Staatsfinanzen mit dem Austausche von Quittungen, die jeden Staat verbindlich machten, den eigenen Beamten das ihnen von der Gegenseite zugedachte Geschenk bei besserer Gelegenheit ausfolgen zu lassen 69S). Dadurch trat — so namentlich während der Jahre 1813—1816 — ein zeitweiliges Versiegen dieser Goldquelle ein. Doch floß sie dann nur um so reichlicher. Im ganzen hat sie den Staatskanzleibeamten über 90.000 Dukaten und fast 25.000 fl., das sind — den Dukaten zu 4,5 fl. gerechnet — weit über 400.000 fl. eingebracht, die bis 1844 auf über 450.000 fl. anstiegen. Die größten Ausschüttungen haben — nach der Stauung von 1813/16 — zu Neujahr 1818 und im Oktober 1820 stattgefunden, die sich das eine Mal auf 28.100 Dukaten, das andere Mal auf 10.000 Dukaten beliefen. Die übrigen Ausschüttungen schwankten zwischen 400 und 4000 Dukaten und zwischen 500 und 12.500 fl. In manchen Jahren gab es zwei Verteilungen, in den Glücksjahren 1816 und 1817 sogar deren drei, darunter das eben erwähnte Riesengeschenk von 28.100 Dukaten. Der Zweck, der mit diesen wechsel­seitig — nicht sowohl wegen der erzielten Vorteile als vielmehr als Merkmal der Erkenntlichkeit für die Mühewaltung der Staatskanzleien — gegebenen Präsenten verbunden war, ähnelt dem, der den diplomatischen Geschenken innewohnte. Sie waren ein „Mittel zur Beförderung freundschaftlicher Eini- 69 69°) 31 III 14 Vortrag Kabinettsarchiv Separatprotokoll 1119/1831; 41 XI 8 Vortrag StConferenz (Ca) 917/1841, Vorträge 431. 8B1) Belege in Interiora 35. ,92) 1823 Verteilung Interiora 35. efi3) 17 III 24 Eingabe der Staatskanzlei Interiora 35; 17 V 24 Vorträge 306. 121

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